Bewährungsprobe bestanden

| Lesedauer: 3 Minuten
Dirk Westphal

Foto: th/bs/ag

Der neue Lehrter Bahnhof hat seine erste Bewährungsprobe bestanden. Um die Tragkraft der auf 16 Brücken gegründeten Stahl-Glas-Beton-Konstruktion zu testen, hat die Bahn gestern überschwere Spezialzüge mit einer Gesamtlast von 3500 Tonnen in die Station rollen lassen. Fachleute untersuchten, wie sich die gewaltigen Gewichte auf die Brücken auswirkten. Die ersten Tests verliefen positiv.

Insgesamt acht bis zu 450 Tonnen schwere Belastungszüge - jeweils von einer Diesellok gezogen und mit Betonschwellen beladen - hatte die Bahn für die Tests aufgefahren. Experten der Bundesanstalt für Materialprüfung sowie des Eisenbahnbundesamtes protokollierten den ganzen Tag über jede noch so kleine Bewegung der Brücken. Die mit Hilfe von Lasern vorgenommenen Messungen sollen sicherstellen, dass das Ingenieurbauwerk auch gefahrlos von den schwersten regulären Zügen befahren werden kann. Ein mit zwei Halbzügen bespannter ICE 2 wiegt immerhin 820 Tonnen. «Was wir bisher registriert haben, liegt innerhalb der Toleranzgrenzen weniger Millimeter», sagte Projektleiter Hany Azer. Die Kontrollen müssen bis zum 16. Juni beendet sein. Dann will die Bahn die alten Stadtbahngleise auf die neue durch den Bahnhof führende Trasse verschwenken. Dafür bleibt nur wenige Tage Zeit. Denn vom 21. Juni an sollen bereits Fern- und Regionalzüge durch die lichtdurchflutete Ost-West-Empfangshalle rollen.

Der Baufortschritt ist beachtlich. War das Innere der Halle noch vor einer Woche mit einem Stangenwald aus 3500 Tonnen Gerüst ausgefüllt, war davon gestern bereits nichts mehr zu sehen. Während Arbeiter die letzten Scheiben in das mehr als 20 000 Quadratmeter große Glasdach einsetzten, waren andere dabei, den Bahnsteig für die S-Bahn herzustellen. Sie soll vom 4. Juli an im neuen «Lehrter» halten. Für Kunden werden bereits Ausgänge zum Kanzleramt sowie zur Invalidenstraße eingerichtet.

Auch neben der Mammutstation tut sich viel. Südlich, direkt neben der Spree, ist bereits die letzte Baugrube ausgehoben und vom Grundwasser leer gepumpt worden. In ihr wird die Betonsohle für den Tiergartentunnel gegossen, der in die Station mündet. Auch nördlich des «Lehrter» laufen die Arbeiten auf Hochtouren. Dort wird der Abriss des Stadtbahnhofs vorbereitet. An seinem Standort entsteht die letzte Grube des vom Hamburger Architekten Meinhard von Gerkan entworfenen Glas- und Stahlpalastes.

Von Gerkan forderte, sein Dach getreu den Entwürfen in voller Länge mit 430 Meter zu vollenden: «Sonst heißt es am Ende, der Architekt ist schuld, wenn Passagiere der ersten Klasse im Regen aus einem ICE aussteigen.» Die Bahn errichtet, wie berichtet, nur ein 321 Meter langes Dach. Auf der Baustelle liegen deshalb nun nicht mehr benötigte Dachträger herum. Wegen der nötigen Umplanungen wird das «Schrumpfdach» jedoch wohl genauso teuer wie die mit 35 Millionen Euro veranschlagte Ursprungsversion. Die letzte Gesamtkostenschätzung für Europas größten Zentralbahnhof betrug 700 Mio. Euro. Er soll 2006 in Betrieb gehen. Täglich werden dann mehr als 1000 Züge und 250 000 Umsteiger erwartet.