Die Dose in der Hand gibt Halt - doch was kommt danach?

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Kai Ritzmann

Foto: Buddy Bartelsen

Es ist kalt, natürlich ist es kalt. Es zieht um jede Ecke, und Ecken gibt es hier viele. Auch da, wo Wolfgang, Klaus und Junior zur Mittagszeit stehen, pfeift der Wind erbärmlich. Vor fast drei Stunden haben sie hier auf dem Alex zusammengefunden, und ein paar Stunden wird es noch dauern, bis sie wieder getrennt von dannen ziehen. Wenigstens die Schaufensterwand des Kaufhofs gewährt ein wenig Schutz. Gegen die Kälte hat Wolfgang eine Pudelmütze übergestreift. Ansonsten trägt er viel Leder: lederne Jacke, lederne Hose. Augenblicklich ist er bei der dritten Dose. Zwei, drei Dosen werden noch folgen. Bei seinen Kumpels ist es nicht anders: Sie leben von der Bierdose, mit der Bierdose. Tagein, tagaus. Die Dose gibt Halt. Gestern, heute - aber was ist morgen? Denn mit der Dose wird es sehr bald sehr schwierig. Für Wolfgang, Klaus und Junior.

«Volle Kanne daneben», sagt Wolfgang zum neuen Dosenpfand. Er zieht an einem kurios verbogenen Zigarillo, und er weiß nicht, wie es weiter gehen soll. Wird es für ihn noch Dosen geben? Oder muss er auf Flaschen umsteigen? Herr Gott, was haben sich die Poliiker da nur ausgedacht! «Unrealistisch», sagt Wolfgang, sei das alles. «Kein Mensch weiß, was kommt», sagt auch Junior. Junior hat sich das Haupthaar abgeschoren, bis auf einen kleinen Zopf, der ihm in die Stirn fällt. Auch er wird sich wohl unter dem Zwang der Verhältnisse der Flasche zuwenden. Nur eines steht fest: Das Leben wird noch ein bisschen komplizierter.

Nicht ganz so schwarz sieht Klaus. Klaus hält es ein wenig mit der Philosophie. «Der Mensch», sagt er, «ist ein Gewohnheitstier.» Genauso wie ihn die Gewohnheit jeden Tag an diese Ecke auf dem Alex treibt, wird ihn die Gewohnheit auch eine Lösung für das Dosenpfandproblem finden lassen. Klaus will seine Dosen zurückbringen, sogar mit Kassenzettel. Wolfgang ist bekanntermaßen anderer Meinung. Er bleibt bei seiner Einschätzung. «Unrealistisch», sagt er nochmal. Punktum.

Auch schräg gegenüber bei dem kleinen Imbissstand ist die Stimmung getrübt. «Wir wissen nichts», seufzt Frau Schwebel. Gerade ist sie dabei, die letzten Paletten mit Dosen auf die anderen Buden in der Nachbarschaft zu verteilen. Nur weg mit dem Zeug.

Aber liegt im Dosenpfand nicht auch eine Chance? Das Sammeln der liegengelassenen Dosen bringt ab nächstem Jahr schließlich Geld, immerhin 25 Cent pro Weißblechteil. «Die Schmach», sagt Klaus, «tu ich mir nicht an.» Wolfgang und Junior nicken. Auch das Leben auf dem Alex hat seine Gesetze.