Die Einführung des Euro ist für die meisten Menschen die einschneidendste Veränderung im zu Ende gehenden Jahr. Zunächst vielfach begrüßt, wird die neue Währung heute kritischer denn je gesehen. Doch Zahlen und Statistiken sprechen oft eine andere Sprache.
Wo man in Berlin hinkommt, ob in Kneipen oder Supermärkte: Der Euro bewegt noch immer die Gemüter aufs Heftigste. Alles sei teurer geworden, alle hätten draufgeschlagen - Einzelhandel, Dienstleister, Banken und vor allem Gaststätten und die Hotellerie, glauben die meisten Berliner, verbunden mit einem Gefühl der Ohnmacht gegenüber offenkundiger Preistreiberei.
64 Prozent der Berliner sind laut einer Emnid-Umfrage für die Morgenpost davon überzeugt, dass der Euro nur Nachteile brachte. Hingegen hatten wenige Tage vor Einführung der neuen Währung vor einem Jahr bei einer Forsa-Umfrage noch 51 Prozent der Berliner das Zahlungsmittel begrüßt.
Das Statistische Landesamt sieht für pauschale Preissteigerungen aber keine Anhaltspunkte. «Wir haben keine Eurosteigerungen im Handel, sondern eher erhebliche Absenkungen zu verzeichnen», sagt Erwin Engels vom Landesamt. Seit drei Monaten seien die Preise bei Lebensmitteln sowie Getränken rückläufig. Berlin sei darüber hinaus auch bei Damen-, Herren- und Kinderoberbekleidung bedeutend preiswerter als andere Großstädte Deutschlands. «Das bedeutet aber nicht, dass es nicht doch zu erheblichen Preiserhöhungen im Dienstleistungssektor sowie in der Gastronomie und im Hotelwesen gekommen ist», räumt Engels ein.
Durch Erhebungen im Ausland wird das subjektive Empfinden vieler Menschen ebenfalls nicht bestätigt. So billig wie in Berlin lebt es sich in kaum einer anderen Hauptstadt, stellte die britische Unternehmensberatung Mercer in ihrer jährlichen Studie fest, in der unter anderem Wohnkosten sowie die Preise für Kleidung, Verkehrsmittel und Nahrung in 144 Städten der ganzen Welt verglichen werden. Das Leben in der deutschen Hauptstadt wird im internationalen Vergleich sogar immer billiger, geht aus der Mercer-Studie weiter hervor.
Auch der Berliner Einzelhandelsverband will nichts davon wissen, dass der Euro nach weit verbreiteter Auffassung ein «Teuro» ist. Sprecher Jan Holzweißig verweist auf die Statistik, wonach die Preissteigerungen im Einzelhandel in diesem Jahr lediglich bei 0,7 Prozent liegen. «Im vergangenen Jahr beliefen sie sich mit 1,6 Prozentpunkten auf mehr als das Doppelte», sagt Holzweißig. Am Jahresanfang habe es allerdings im Vergleich zur D-Mark-Praxis noch keine so genannten Schwellenpreise (99 Cent oder 1,99 Euro usw.) gegeben. Dadurch seien die Kunden sehr verunsichert gewesen. Sie hätten die alten Preise im Gedächtnis gehabt und sich nun gewundert, zumal Schwellenpreise besonders bei Artikeln des täglichen Bedarfs verbreitet seien, sagt Holzweißig.
Der Sprecher des Einzelhandelsverbandes weiß, dass die Verbraucherzentrale rund 800 Artikel herausgefiltert hat, bei denen es zu Preiserhöhungen nach der Euro-Einführung gekommen ist. Angesichts der Vielfalt von rund zehn Millionen Produkten sei dies eine verschwindend geringe Anzahl gewesen, die sich inzwischen wieder eingepegelt habe, so Holzweißig.