Der Streit zwischen der Ärzteschaft und Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) schwelt weiter. Wegen der Sparpläne der Ministerin hatte Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe angedroht, das «ganze Gesundheitswesen lahm zu legen». Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Manfred Richter-Reichhelm, rief die 115 000 deutschen Kassenärzte auf, nicht dringende Behandlungen auf das nächste Quartal zu verschieben. Auch Praxisschließungen und Wartelisten schloss er nicht aus. Nach dem gestrigen Krisengespräch mit der Ministerin gab Richter-Reichhelm keine Entwarnung. «Wir werden für Berlin im Januar eine Umfrage in den Praxen starten. Die Ärzte werden die Patienten zum Beispiel fragen, ob sie einen Facharzt in ihrer Nähe haben wollen», kündigte der KBV-Chef an. Zudem werde es in Praxen «Dienst nach Vorschrift» geben. Andererseits seien die Ärzte bereit, nur noch günstige Medikamente zu verschreiben. Hautarzt Burkhard Bratzke ist einer von 6200 niedergelassenen Berliner Ärzten, der sich an der Aktion beteiligt.
«Wir machen jetzt das, was die Regierung will», sagt Dr. Bratzke trotzig. Mit «Regierung» meint er die Sparpläne von Gesundheitsministerin Schmidt. Sie will, dass Ärzte nur preiswerte Arzneien verschreiben; bei den Honoraren verlangt die Ministerin eine Nullrunde. Ziel ist die Therapie des zu teuren Gesundheitswesens.
Der Moabiter Hautarzt hat bereits seine Konsequenzen gezogen: «Ich werde kein Muttermal mehr herausoperieren, wenn es harmlos aussieht.» Auch sei er nicht mehr bereit, einen Allergietest bei einem gesetzlich Versicherten vorzunehmen, sofern der Patient den Test nur vorsorglich braucht, weil er sich ein Haustier anschaffen will.
Ohnehin hat der Arzt längst seiner Praxis eine Rosskur verordnet. Der 48-Jährige verzichtet auf eine Sprechstundenhilfe, die für die Patienten Termine macht. Nun kommt jeder Kranke einfach so in die Moabiter Praxis. Nachteil: Man muss Wartezeiten in Kauf nehmen. Dennoch kann Bratzke sich nicht über zu wenig Arbeit beklagen. 2000 Patienten kommen zu ihm im Quartal. Daher versteht er nicht, warum es zu viele Ärzte geben soll. «Wenn ich mal weniger als 100 Patienten am Tag versorgt habe, dann war das ein lockerer Tag», sagt er.
Doch so lange die Praxisärzte die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherstellen müssten, dürften sie nicht streiken, betont er. Diesen Sicherstellungsauftrag gibt es seit 1931, seitdem die Kassenärztlichen Vereinigungen existieren. Würden sie abgeschafft, dürften die Ärzte auf die Straße gehen. Dann würde auch Bratzke streiken.