Knisternde Spannung liegt heute Mittag Punkt 12 Uhr über den Räumen des Berliner Verfassungsgerichtes an der Schöneberger Elßholzstraße. Dann wollen die obersten Richter darüber entscheiden, ob die Abgeordnetenhauswahl vom Oktober 2001 wiederholt werden muss.
Den Stein ins Rollen gebracht hatten die ehemaligen CDU-Parlamentarier Marcus Mierendorff und Ulrich Manske. Vor der von ihnen angefochtenen Wahl waren sie nach einem parteiinternen Machtkampf im CDU-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf um ihre Kandidatur für das Abgeordnetenhaus geprellt worden. Obwohl sie damals bereits ihre Wahlkreisnominierung in der Tasche hatten, durften sie nicht um ein Abgeordnetenhausmandat kämpfen.
Bei einem zweiten Nominierungsparteitag ihres Kreisverbandes hatten sich die internen Kräfteverhältnisse verschoben, und Mierendorff und Manske wurden von der Kandidatenliste gekegelt. Gegen diese «Machenschaften von Parteifreunden» (Zitat Marcus Mierendorff) zogen die beiden CDU-Politiker bis vors Landesverfassungsgericht.
Mierendorff zeigte sich gestern optimistisch, sein Anliegen durchsetzen zu können: «Ich hoffe bis zum Schluss, dass die Richter meiner Argumentation folgen werden. Dass es sich das Gericht nicht leicht macht, zeigte die Anhörung vor drei Wochen.»
Marcus Mierendorff und Ulrich Manske stützen sich in ihrer Klage auf Ereignisse, die sich vor elf Jahren in Hamburg zutrugen. Im Jahr 1993 hatte das Hamburger Verfassungsgericht die Bürgerschaftswahl von 1991 wegen schwerwiegender Verstöße der Christdemokraten bei der Kandidatenkür für ungültig erklärt.
Der CDU-Landeschef Christoph Stölzl indes hofft darauf, dass es keine Neuwahlen in Berlin gibt. Stölzl: «Ich habe die Erwartung, dass das Gericht diesen skurrilen Fall mit Augenmaß löst. Veränderungen bei Mehrheitsverhältnissen in Parteien sind normal und erlaubt. Daher gilt auch die zweite in Steglitz-Zehlendorf erstellte Kandidatenliste.»
Christoph Stölzl sagt weiter: «Ich erwarte auch, dass es einen eindeutigen Auftrag an den Gesetzgeber gibt, die weichen Punkte im Berliner Wahlgesetz zu härten, damit es in Zukunft nicht erneut zu solchen Anfechtungen kommen kann. Dabei geht es mir um die Definition der Vertrauenspersonen, die nach den Nominierungsveranstaltungen der Parteien quasi als Briefträger agieren, die Kandidatenlisten unterschreiben und sie dann beim Landeswahlausschuss einreichen.»
Egal wie der Richterspruch heute lauten wird, Ruhe wird im streitfreudigen CDU-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf nicht einziehen. Bereits morgen tagt der Kreisvorstand, um über Sanktionen gegen den Dahlemer CDU-Ortsvorsitzenden Karl-Georg Wellmann zu beraten, der mit öffentlicher Kritik an CDU-Fraktionschef Frank Steffel für Verärgerung in seiner Partei sorgte.