Berliner Lehrer müssen sich im kommenden Jahr darauf gefasst machen, dass sie befristet an andere Schulen versetzt werden. Sie werden dort zum Lücken füllen benötigt. Hintergrund sind die amtlich verordnete Mehrarbeit für Beamte und der damit verbundene Einstellungsstopp für junge Lehrer.
Durch die Arbeitszeitverlängerung von bis zu vier Stunden pro Woche haben vor allem die Gymnasien, Gesamt- und Berufsschulen vom 1. Februar an knapp 40 000 Unterrichtsstunden zusätzlich auf dem Plan. Ein Stundengewinn, der zumindest kurzfristig zu einem Überhang an einzelnen Schulen führt. Denn nicht alle haben so viel Unterrichtsausfall, dass die Stunden dafür aufgebraucht werden. Anderen Schulen fehlt es dagegen an Lehrern, weil ausscheidende Kollegen nicht ersetzt werden.
«Wir werden deshalb Lehrer umsetzen müssen», sagt Angelika Hüfner von der Senatsschulverwaltung. Leider könne dadurch der Fachlehrerbedarf nicht abgedeckt werden. So fehle es schon heute an Lehrern für zweisprachigen Unterricht, Englisch und Informatik. «Wir kämpfen beim Finanzsenator um wenigstens 100 neue Lehrkräfte für extreme Mangelfächer.»
Um das unerwartete Stundenplus mitten im Schuljahr sinnvoll nutzen zu können, plant die Verwaltung zudem, die Arbeitszeitkonten - das heißt die Stunden, die Lehrer seit 1999 vorgearbeitet haben - früher und in kürzerer Zeit «zurückzuzahlen».
Wie berichtet, will der Senat mit der verordneten Mehrarbeit Neueinstellungen im Umfang von etwa 1450 Stellen einsparen. Nach Verwaltungsprognosen gehen aber allein 1200 Lehrer bis November 2003 in Pension. Spätestens zum kommenden Schuljahr dürfte sich der Stundenüberhang deshalb aufgebraucht haben. Ein Grund, warum die zusätzlichen Stunden nur begrenzt für pädagogische Verbesserungen wie das Einrichten kleinerer Klassen genutzt werden könnten, sagt Angelika Hüfner: «Wir können nichts anschieben, was wir in einem halben Jahr wieder zurücknehmen müssen.»
Bei Lehrern und Bildungsexperten stoßen die Sparaktionen deshalb nur auf Kopfschütteln. «Das Ganze ist eine kopflose Fahrlässigkeit der Finanzpolitik», ärgert sich der Leiter des Tegeler Humboldt-Gymnasiums, Hinrich Lühmann. Gerade auf den dringend benötigten Lehrernachwuchs wirke dieses Szenario abschreckend, warnt Erziehungswissenschaftler Dieter Lenzen: «Noch vor wenigen Monaten haben wir an der FU gemeinsam mit dem Bildungssenator in den Diplom- und Magisterstudiengängen für ein Umschwenken auf das Lehramt geworben. Und jetzt das.»