Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes hat die islamistische Organisation Hizb ut Tahrir in Berlin seit dem Frühsommer ihre Tätigkeit verstärkt. Die Organisation werbe vor allem in der türkischen Gemeinde für die Einrichtung eines Kalifatsstaates.
Die Organisation falle durch aggressive antisemitische und anti-westliche Propaganda auf, sagte Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid gestern vor dem Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses. Die strikte Ablehnung westlicher Gesellschaftswerte könnte «perspektivisch Sprengstoff» enthalten, sagte Frau Schmid. Konkrete Angaben über das Ausmaß der Aktivitäten und die Zahl ihrer Anhänger machte die Verfassungsschutzchefin gestern im öffentlichen Teil der Sitzung nicht.
Die Gruppe war vor vier Wochen nach einer Veranstaltung in den Räumen der alten TU-Mensa ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. An der Veranstaltung hatten auch NPD-Anwalt Horst Mahler und NPD-Chef Udo Voigt teilgenommen. Die Veranstalter, eine islamische Studentengruppe, sollen nach den Ermittlungen der Verfassungsschützer in Verbindung mit Hizb ut Tahrir stehen. Weitere Informationen gab die Chefin des Verfassungsschutzes den Abgeordneten im anschließenden geheimen Teil der Sitzung: Nach Erkenntnissen ihrer Behörde agiert Hizb ut Tahrir weltweit, ist bislang aber nicht in Zusammenhang mit gewalttätigen Aktionen aufgefallen. Mit äußerster Schärfe lehnen die Mitglieder der Organisation westliche Werte ab, treten für eine Zerstörung Israels ein und rufen zum Heiligen Krieg Dschihad auf.
In einer neueren Publikation der islamistischen Gruppe heißt es nach Angaben der Verfassungsschutzchefin unter anderem: «Auf die zionistische Aggression in Palästina kann es nur eine Antwort geben: den Dschihad.» Nach Schmids Einschätzung besteht die Gefahr, dass die Thesen der Organisation in Berlin auf fruchtbaren Boden fallen und die islamische Gemeinde in der Stadt radikalisieren.
Gegen Hizb ut Tahrir ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main. In der vergangenen Woche wurden bundesweit Razzien in 27 Wohnungen von Anhängern der Gruppe durchgeführt, zwei davon in Berlin. Der europäische Organisations-Sitz wird in London vermutet. Aus welchen Quellen sich die Organisation finanziert, ist unklar. Die Zuständigkeit für ein eventuelles Verbot liege beim Bund, sagte Justizstaatssekretär Lutz Diwell (SPD) vor dem Ausschuss. In Ägypten stehen zur Zeit 27 Anhänger der Gruppe vor Gericht: Sie sollen den Sturz der Regierung vorbereitet haben. Die Gruppe existiert seit 1953 und wurde in Ost-Jerusalem gegründet.