Eltern sollen für Schulbücher zahlen

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Christa Beckmann

In Berlin bekommen Schüler ihre Bücher noch kostenlos zur Verfügung gestellt. Doch die so genannte Lernmittelfreiheit gerät in die Diskussion - nicht erst seit sich die «Sparkommissare» der Finanzverwaltung für die Abschaffung des Ausleihsystems ausgesprochen haben.

Auch für Bildungssenator Klaus Böger (SPD) ist eine finanzielle Beteiligung der Eltern am Bücherkauf kein Tabu mehr. «Wir müssen in Berlin über die Lernmittelfreiheit nachdenken», sagt der Senator. Ein möglicher Elternbeitrag ist für ihn aber kein staatliches Sparmodell. «So etwas ist nur denkbar, wenn das Geld den Schulen dafür an anderer Stelle zugute kommt», betont Böger. Die finanzielle Grundausstattung der Schulen dürfe dadurch aber nicht angetastet werden. Zudem müsse das Ganze sozial verträglich sein. Geringverdiener dürften nicht zusätzlich belastet werden.

Bücher selber zahlen oder nicht? Die Meinungen darüber sind geteilt. Jutta Grüschow, die Leiterin der Käthe-Kollwitz-Oberschule in Prenzlauer Berg, prophezeit einen Qualitätsverlust, wenn die Lernmittelfreiheit abgeschafft würde. «Gerade für Familien mit wenig Geld wäre dieser Schritt dramatisch.»

Ihre Kollegin Jutta Randelhoff-Szulczewski vom Reinickendorfer Bertha-von-Suttner-Gymnasium sieht dagegen durchaus pädagogische Vorteile. Die kostenlose Rundumversorgung unterstütze eher die Konsumhaltung der Schüler, argumentiert die Schulleiterin. «Bücher, die einem gehören, werden auch pfleglicher behandelt.» Außerdem wäre das eine zusätzliche Möglichkeit, Eltern in die Schule einzubinden.

Die Ausleihe der Bücher bedeute für die Schulen zudem einen erheblichen Aufwand, sagt Urte Schoenwälder, Leiterin der Neuköllner Albrecht-Dürer-Oberschule. «Am Schuljahresende sind wir jedes Mal wie der Teufel hinterher, dass wir die Bücher wieder bekommen.» Der Lernmitteletat sei zwar auskömmlich. Dennoch müsse ein Lehrbuch durchschnittlich sieben Jahre halten. Entsprechend sei der Zustand. In etlichen Büchern stehe noch DM statt Euro. Ihre Schule habe auch nicht genügend Atlanten, um jedem Schüler ein Exemplar mit nach Hause zu geben. «Wir empfehlen den Eltern deshalb, ihren Kindern einen Atlas zu schenken», sagt die Direktorin. Sie plädiert für eine sozial verträgliche Mischfinanzierung von Staat und Eltern. Schon heute würden viele Lehrbücher über Fördervereine und Familien finanziert, sagt Neuköllns Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD). Denn das Geld vom Staat ist knapp. Gut 19,5 Millionen Euro hat das Land Berlin in diesem Jahr für Schulbuchkäufe an die Bezirke überwiesen. Gezahlt wird nach festen Sätzen. Einem Grundschüler stehen fast 32 Euro zu, der Etat für einen Gymnasiasten beträgt knapp 70 Euro. Dennoch: Der Verzicht auf die Lernmittelfreiheit wirft für Schimmang nicht nur Fragen nach der sozialen Gerechtigkeit auf. Unklar ist für den Stadtrat auch die praktische Umsetzung: «Wo zieht man die Einkommensgrenze? Und wer kontrolliert die Angaben?»