Der Mord an Dagmar Piechowski könnte die Tat eines geistig Verwirrten gewesen sein. Die 48-Jährige war am Sonntag gegen 13.45 Uhr auf dem Friedhof an der Lilienthalstraße in Neukölln niedergestochen worden und noch am Tatort gestorben. Die Polizei sucht jetzt einen Mann, der im Zusammenhang mit der Tat stehen könnte. Er war mehreren Zeugen etwa zur Tatzeit aufgefallen. Sie berichten, er sei ziellos im Zickzack-Kurs über den Friedhof geirrt und habe an verschiedenen anonymen Gräbern scheinbar gebetet.
Nach Polizeiangaben soll der Mann auf die Zeugen einen bedrohlichen und verwirrten Eindruck gemacht haben. Er wird als 25 bis 35 Jahre alt, etwa 1,85 Meter groß mit kurzen, dünnen mittelblonden Haaren und ausgeprägten Geheimratsecken beschrieben. Für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat führen, hat die Polizei jetzt eine Belohnung von 5000 Euro ausgesetzt.
Während die Kripo mit allen Mitteln an der Aufklärung des rätselhaften Mordes arbeitet, ist nach zweitägiger Spurensuche auf dem Neuköllner Friedhof Ruhe eingekehrt. Die Wege zwischen den Gräberfeldern sind fast menschenleer. Die Stille wird nur durch leises Vogelgezwitscher und das entfernte Brummen eines Rasenmähers gestört.
Unter den wenigen Besuchern des Friedhofs sitzt der Schock über die Bluttat vom Wochenende noch immer tief. «Es kommt in den letzten Tagen kaum jemand hierher», sagt Friedhofsgärtner Jürgen Lietz. «Die Leute haben wohl einfach Angst.»
Eine von denen, die trotzdem da sind, ist Sabine Joachim. Sie pflanzt frische Blumen auf ein Grab - mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend, wie sie zugibt. Die 38-Jährige wohnt gleich gegenüber vom Friedhof und hat die Spurensuche der Polizei am Sonntag und Montag beobachtet. Seit sie den Grund für den Großeinsatz kennt, hat auch Sabine Joachim Angst, alleine auf dem Friedhof zu gehen. «Es ist schon unheimlich, und ich achte mehr als früher darauf, ob sich hier jemand verdächtig herumdrückt», sagt sie. Gefühle, die fast alle Friedhofsbesucher teilen.
«Alleine würde ich mich hier nicht hintrauen», sagt Renate Müller, die gemeinsam mit ihrer Freundin Ingeborg Helmer den Friedhof besucht. Zu zweit fühlen die beiden sich sicher, würden - so hoffen sie - einen möglichen Angreifer «schon irgendwie» in die Flucht schlagen. Über das, was am Sonntag geschehen ist, sind die Rentnerinnen fassungslos. «Dass man jetzt schon auf dem Friedhof Angst haben muss, ist unglaublich», sagen Renate Müller und Ingeborg Helmer.