Stalins Ohr verschwunden

Knapp 50 Jahre nach seinem Tod scheint der ehemalige sowjetische Diktator Josef Stalin immer noch Verehrer zu haben. Anders ist der mysteriöse Diebstahl kaum zu erklären, der sich - wie erst gestern bekannt wurde - am Sonnabend gegen Mittag im Café Sibylle an der Karl-Marx-Allee 72 ereignet hat.

Erst vor wenigen Wochen hatte der Förderverein Karl-Marx-Allee dort eine Dauerausstellung zur Geschichte der Prachtstraße im Osten Berlins eröffnet. Ihr Titel: «Stalins Ohr und unsere Straße». Das Titel gebende Prunkstück der Schau, ein Fragment des 1961 demontierten und zerstörten Stalin-Monuments an der Allee, ist jetzt allerdings spurlos verschwunden, wie Café-Betreiber Artur Schneider bestätigt.

Unbekannte Täter haben das in der Wand verdübelte etwa 15 Zentimeter große Bronze-Ohr herausgebrochen und mitgehen lassen - während der Öffnungszeit, doch offenbar ohne Zeugen. Wie das gehen konnte, versteht selbst der Inhaber nicht. Die Polizei macht sich jetzt auf die Suche nach Täter und Ohr. Bislang ohne heiße Spur, wie ein Sprecher bestätigt.

Sollten die Beamten erfolglos bleiben, könnte Stalins Ohr damit endgültig verschwunden sein. In der Nacht vom 13. auf den 14. November 1961 hatte die DDR-Führung angeordnet, das Denkmal an der heutigen Karl-Marx-Allee «bis zur Unkenntlichkeit» zu zerkleinern. Einzig der Baubrigadier Gerhard Wolf hatte diesen Befehl missachtet und sich ein Ohr und ein Bart-Fragment des Diktators unter den Nagel gerissen. Ein Schwiegersohn des Brigadiers hatte das verschollene Ohr jüngst für die Ausstellung gestiftet. fal