Es war das schwerste Unwetter seit vielen Jahren in Berlin. Mindestens vier Menschen sind gestern Abend in der Hauptstadt ums Leben gekommen. Zwei Kinder starben bei einem Zeltlager auf Schwanenwerder am Großen Wannsee, zwei Menschen wurden in Pankow und in Reinickendorf von Ästen erschlagen. Es gab Dutzende von Verletzten - allein zehn Kinder in dem Zeltlager auf Schwanenwerder. Polizei und Feuerwehr meldeten Ausnahmezustand.
Über Berlin ist gestern Abend ein Orkan hinweg gefegt: Der Eisenbahnverkehr in Berlin und Brandenburg wurde schwer behindert. In der Hauptstadt fielen U- und S-Bahnen aus. Der Flughafen Tegel wurde 30 Minuten geschlossen.
Wegen des schweren Unwetters brachen die Veranstalter ein Konzert zum 50-jährigen Bestehen des Berliner Sinfonie-Orchesters auf dem Gendarmenmarkt ab. Mehrere tausend Gäste verließen das Gelände nach Augenzeugenberichten «sehr schnell und recht gut organisiert». Sturmböen am Gendarmenmarkt knickten Bäume um.
Glücklich war, wer gestern Abend zur «Tagesschau» auf dem Sofa saß - draußen schien die Berliner Welt unterzugehen. Der Sturm entwurzelte reihenweise Bäume. Im Bereich des Bahnhofs Zoo berichteten Augenzeugen von einer Windhose. Rettungskräfte hatten Mühe, wegen umgestürzter Bäume an Unfallorte heranzukommen. So war auch zeitweilig die Anfahrt zu den Kindern auf der Insel versperrt. Wer den Meteorologen nicht vertraut hatte und sich in Sommerlaune auf den Weg in den Biergarten machte, drehte auf halber Strecke um. Ein Kreuzberger berichtet: «Als ich abends nach Hause kam, lag die Dachluke, die sich morgens noch im Flur befand, auf dem Balkon.» Der Sturm hatte sie aus der Verankerung gerissen. Beschwerden zwecklos, die Telefonnummer des Vermieters, der GSW, war stundenlang besetzt. Blieb nur, die Gewalt der Natur staunend ohne Dachluke zu betrachten: Herumfliegende Äste, aufgewirbelter Blütenstaub machten aus der Luft milchig-gelbes, nebelhaftes Etwas. Aufatmen, Durchatmen ist erst heute, nach der Gewitternacht wieder ratsam.
Vernünftig verhielten sich die meisten Autofahrer: Sie fuhren wie bei Glatteis - langsam. Immer auf der Hut vor schlecht gesicherten, herabfallenden Teilen, die auf Baustellen gelagert waren. Dachpappe segelte wie dünnes Papier durch die Luft, auch Bretter knallten auf die Straßen. Gegen 22 Uhr ließ der Sturm allmählich nach, teilte das Wetteramt Potsdam mit. Lediglich über den Norden Brandenburgs zogen noch schwerste Gewitter.