Wie lange hält der Burgfrieden im Südwesten?
Derzeit herrscht Ruhe in Steglitz-Zehlendorf: Die verfeindeten Lager im größten Berliner CDU-Kreisverband hatten sich in der letzten Woche so derb bekämpft, dass Uwe Lehmann-Brauns fürchten musste, seine Direktkandidatur für die Bundestagswahl noch aberkannt zu bekommen.
Der auf Vermittlung des CDU-Landesvorsitzenden Christoph Stölzl zustande gekommene Vergleich zeigt Wirkung. Vorerst zumindest. Doch in Parteikreisen geht die bange Frage um, wie lange der mühsam gezimmerte Frieden in der Südwest-Union Bestand hat. Die Parteistrategen hoffen inständig, dass der Waffenstillstand wenigstens bis zur Bundestagswahl hält, um die Wahlchancen der CDU in dem bürgerlich geprägten Bezirk nicht fahrlässig zu verspielen. Wie schwer es werden wird, den Burgfrieden tatsächlich bis zum 22. September zu bewahren, zeigt ein Blick zurück, der Einsicht in die Anfänge des für Außenstehende unverständlichen Dauerzwistes gewährt.
Zwei Quellen speisen den Streit vorrangig. Zum einen ist es ein Generationskonflikt: zwischen Uwe Lehmann-Brauns, früher CDU-Kreischef in Zehlendorf und in einer Art Dauer-Opposition zu dem einst mächtigen CDU-Duo Eberhard Diepgen/Klaus Landowsky, sowie seinen politischen Ziehsöhnen Jean Angelov und Marcus Mierendorff. Zum anderen prallten mit der Fusion der CDU-Kreisverbände Steglitz und Zehlendorf zwei soziologisch unterschiedliche Mitgliedschaften aufeinander.
Die CDU Zehlendorf hatte den Schwerpunkt stets auf Volkspartei gelegt. Daher wurde viel Kraft in die Mitgliederwerbung und den Aufbau eines CDU-Netzwerkes für die Bürger vor Ort investiert. Die Steglitzer CDU war auf diesem Gebiet nicht so eifrig. Sie konzentrierte sich mehr auf die Förderung ihrer Funktionäre und Mandatsträger, um die strategisch wichtigen Stellen im Bezirksamt möglichst langfristig besetzen zu können. Als es im April 2001 schließlich zur Fusion der Kreisverbände kam, sahen sich 850 Steglitzer CDU-Mitglieder mit der Übermacht von 2150 Parteifreunden aus Zehlendorf konfrontiert. Die Sorge über eine Dominanz der Zehlendorfer war bei den Steglitzern geboren. Zum Tragen kam diese Dominanz bislang nie. Mit Herbert Weber stellt die Steglitzer CDU heute den Bürgermeister von Steglitz-Zehlendorf.
Kurz vor dem Zusammenschluss der CDU-Kreisverbände brach der Generationenkonflikt zwischen Lehmann-Brauns auf der einen, sowie Angelov und Mierendorff auf der anderen Seite aus. Bei den Wahlen im CDU-Ortsverband Dahlem im Februar 2001 stellten Angelov und Mierendorff ihren einstigen Förderer kalt. Lehmann-Brauns hatte gehofft, erster Chef des fusionierten Kreisverbandes zu werden. Doch bei der Wahl der Kreisparteitagsdelegierten fielen die Anhänger des Routiniers entgegen allen Absprachen reihenweise durch. Marcus Mierendorff wurde zum Dahlemer Ortsvorsitzenden wiedergewählt, und anstelle von Lehmann-Brauns erklomm Angelov dank Steglitzer Unterstützung den Sessel des CDU-Kreischefs.
Lehmann-Brauns und dessen Weggefährten fühlten sich betrogen und fochten die Wahlen an. Mit Erfolg. Im September wurde die Wahl in Dahlem wiederholt, danach stritten sich beide Flügel auf einem vier Tage (!) dauernden Kreisparteitag. Aus dieser «Schlacht» gingen Lehmann-Brauns' Mannen als Sieger hervor: Mierendorff wurde als Ortschef «gekegelt», und bei der Aufstellung der Kandidaten für die Abgeordnetenhauswahl konnten sich Angelovs Freunde nicht durchsetzen.
Einziger Wermutstropfen für Lehmann-Brauns: Angelov blieb als Kreisvorsitzender im Amt. Auch dagegen klagten die Weggefährten des Bundestagsdirektkandidaten. Und hatten fast Erfolg. Als das Landesparteigericht die Wahl Angelovs für nicht rechtmäßig erklären wollte, mussten Lehmann-Brauns' Freunde die Wahlanfechtung zurückziehen. Ansonsten wäre der jetzt geschlossene Vergleich nicht zu Stande gekommen und vermutlich Lehmann-Brauns die Bundestagskandidatur entzogen worden.
Tatsächlich ist also nicht ein einziges Problem in der Südwest-CDU gelöst, der Konflikt schwelt weiter. Das Lager der Lehmann-Brauns-Unterstützer ist entschlossen, Angelov vorfristig zu entmachten. Der jedoch hat inzwischen sieben von elf Ortsverbänden hinter sich. Die Gräben sind tief, die «Gefechtslage» unübersichtlich, und die Befürchtung ist groß, dass der Streit schon nach dem 18. Juli wieder offen ausbricht. An diesem Tag endet die Meldefrist für den Bundestag. Dann kann in der CDU niemand mehr Uwe Lehmann-Brauns die Direktkandidatur streitig machen.