«Junge Leute werden gebraucht»

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Arbeitslosigkeit ist eines der drängendsten Probleme Berlins. Wie kann der Bund helfen? Darüber sprach Joachim Fahrun mit Bundesarbeitsminister Walter Riester und dem parlamentarischen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, dem Neuköllner Bundestagsabgeordneten Ditmar Staffelt.

Herr Minister, was kann der Bund tun, um die Arbeitslosigkeit speziell in Berlin zu bekämpfen?

Riester: In Sachen Arbeitsmarktpolitik haben wir viel bewegt. Ich nenne das JobAktiv-Gesetz und das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter. Darüber hinaus haben wir das Jugendsofortprogramm aufgelegt. Nach der Wahl werden wir ein Jugendsofortprogramm plus auflegen, um jungen Menschen mit schlechten Qualifikationen zusätzlich zu unterstützen. Das stellt sich in meinem Wahlkreis in Baden-Württemberg bei 4,2 Prozent Arbeitslosigkeit völlig anders dar als in Berlin-Neukölln. Darauf nehmen wir Rücksicht. Vor allem Ostdeutschland und die Arbeitsamtsbezirke mit einer besonders hohen Arbeitslosen-Quote bekommen einen hohen Anteil.

Die Hartz-Kommission fordert die Fusion von Arbeitsämtern und Sozialämtern. In Berlin gibt es Modellprojekte. Warum funktioniert das nicht flächendeckend?

Riester: Wir wollen das flächendeckend machen. Aber man muss einige wichtige Entscheidungen der Kommunen berücksichtigen. Dazu haben wir eine Kommission eingerichtet zur Gemeindefinanzreform. Parallel dazu prüft eine Kommission die Verzahnung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Bis Juni 2003 sollen die Ergebnisse vorliegen.

In Berlin überleben viele Kultur- und Sozialprojekte nur mit ABM-Stellen. Nun heißt es, man dürfe nicht soziale Infrastruktur aus der Sozialversicherung bezahlen. Wie kommen die Berliner aus diesem Dilemma raus?

Staffelt: Berlin wird in der schwierigen Situation versuchen, weiter solche ABM-Stellen anzubieten. Aber wir wollen auch mit der Arbeitsförderungspolitik noch gezielter in den ersten Arbeitsmarkt hineingehen.

Riester: Wir machen Kompromisse, weil die Kommunen vieles nicht finanzieren können. Wir können aber aus Beiträgen nicht zur Dauerfinanzierung kommen.

Der Wirtschaftssenator Gregor Gysi beklagt, dass auch arme Länder wie Berlin gezwungen werden, Hilfen des Bundes kozufinanzieren, obwohl sie dieses Geld nicht haben. Muss man diesen Zwang nicht abschaffen?

Staffelt: Würden wir als Bund Projekte zu 100 Prozent fördern, ginge es ganz schnell, dass jeder irgend etwas realisiert, was nicht nötig ist. Die Länder sollen das schon sehr genau prüfen und dann auch mit ins Boot genommen werden. Wollte man das ändern, wäre eine Verfassungsänderung erforderlich, weil das Länderkompetenzen berührt.

Der Innensenator hat angekündigt, die Ausbildungskapazitäten im öffentlichen Dienst herunterzufahren, weil der Nachwuchs nicht benötigt wird. Kann sich da ein Land aus der Affäre ziehen?

Riester: Grundsätzlich nein. Ich bin dafür, junge Leute in Qualifizierung zu bringen, weil wir sie brauchen.

Können Sie sich grundsätzlich vorstellen, dass es in Deutschland zwischen Reichen und Armen Ländern unterschiedliche Standards gibt, etwa bei Sozialhilfeleistungen oder bei der Bezahlung im öffentlichen Dienst?

Riester: Einheitlichkeit in der Entlohnung haben wir nicht. Weder im öffentlichen Dienst noch in der Privatwirtschaft. Das ist nicht neu.

Staffelt: Wir haben in Berlin ab 1993 schrittweise eine Angleichung der Ost-Tarife auf West-Niveau realisiert. Die gibt es in den anderen Ost-Ländern nicht. Es ist vertretbar, im Sinne von Beschäftigung mit den Tarifpartnern darüber zu reden. Berlin ist ja nicht Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder.

Riester: Ich habe im Ministerium Mitarbeiter, die nach Ost- und nach West-Tarif bezahlt werden. Unglücklicherweise haben die mit Ost-Tarif längere Arbeitszeiten. Diesen Zustand muss man korrigieren.