Guten Morgen

Andreas Abel

...Herr 129er-Busfahrer!

Im ersten Moment durchzuckt den Autofahrer ein gehöriger Schrecken. Da rennen doch zwei Jugendliche wie von der Tarantel gestochen quer über die Straße. Dann sieht er den Sinn der sportlichen Übung - und ist schon milder gestimmt: Die beiden wollen unbedingt den Bus der Linie 129 erreichen, der an der Ecke Wilhelm- und Kochstraße hält. Doch - zu spät: Nur Zentimeter trennen die beiden vom Großen Gelben, da fährt er an. Und nun? Frust? Zorn? Nichts da. Die Jungen blicken sich nur kurz an, dann rennen sie wieder los: die Kochstraße hinunter, in Richtung Friedrichstraße, wo der 129er den nächsten Stopp einlegt. Olympiareif, dieser Spurt. Fußgänger weichen aus, applaudieren. Doch es sieht nach einem weiteren Misserfolg aus, der Bus fährt bis zur Ampel vor, kurz bevor die beiden ankommen. Und dann geht - bildlich gesprochen - die Sonne auf. Sie, lieber Busfahrer, öffnen die Türen und lassen die Carl-Lewis-Doubles einsteigen. Wir wissen, dass das nicht ganz mit Ihren Vorschriften konform geht, gerade deshalb finden wir das so gut. Sie haben höheren Zielen gedient und zwei jungen Berlinern gezeigt, dass Anstrengung (manchmal) belohnt wird - und dass das mit dem Sportsgeist und dem Sieger der Herzen nicht nur bei Rudi Völler funktioniert.