Hinz gegen Kunz Menschen vor Gericht

| Lesedauer: 2 Minuten
Jens Anker

Drei Männer, zwei Pärchen, ein Streit, ein Verletzter, keine Tatwaffe: Freispruch!

Drei Männer sitzen auf der orangefarbenen Bank und warten. Jeden, der vorbeikommt, mustern sie skeptisch. Waldemar ist 21 Jahre alt, kompakte Statur. Seine beiden Freunde sind Brüder, Alexander und noch ein Waldemar. Sie sind etwas jünger. Eine Stimme knarrt aus dem Lautsprecher. Das Trio öffnet die Tür und verschwindet.

Im Saal 672 warten ein Richter, ein Staatsanwalt und eine Protokollführerin. Der erste Waldemar darf sich auf einen Stuhl vor den Richter setzen. Er ist Angeklagter. Die zwei Freunde sind Zeugen im Kriminalfall, den das Amtsgericht Tiergarten zu lösen versucht.

Es geht um den Abend des 22. Oktober, ein Imbiss am S- Bahnhof Storkower Straße in Lichtenberg. Dort saßen die drei Männer, tranken Bier. Sie sprachen russisch. Vor Jahren sind sie aus Kasachstan nach Deutschland gekommen. Auch am Nebentisch wurde gesprochen. Deutsch. Dort saßen zwei Pärchen. Es entwickelte sich eine nervöse Spannung, die in einem handfesten Streit endete. Die Polizei kam und nahm den ersten Waldemar fest. Er soll einem Mann vom Nachbartisch mit dem Messer in die Nierengegend gestochen haben. Zuvor hätten sich die Wolgadeutschen über die fehlenden Zähne seiner Freundin amüsiert.

Das stimmt nicht», sagt Waldemar. «Meine Kumpel haben auch keine Zähne. Soll ich deswegen lachen?» Der zweite Waldemar macht den Mund auf und zeigt den fehlenden Schneidezahn. Außerdem: «Ich habe noch nie ein Messer gehabt», sagt Waldemar. In der Tat ist unklar, woher das Messer kam und wohin es verschwand. Niemand hat es gesehen. Nirgendwo wurde eins gefunden. Die Ärzte versorgten die Wunde des Opfers ausreichend mit einem Pflaster.

Der Richter hat eine Vorstellung vom Geschehenen. Beide Gruppen soffen in den Abend hinein. Die Leute am Nachbartisch pöbelten gegen die drei Kasachen. Nach dem Streit wollten sie den Männern eins auswischen. Dafür spricht, dass die vermeintlichen Opfer sich weigerten, bei Gericht zu erscheinen.

Also, Jungs, nicht so viel saufen», urteilt der Richter. «Freispruch, weil ich nicht weiß, was genau passiert ist.» Und zum Schluss wendet er sich dem zweiten Waldemar zu. «Lassen sie sich die Zähne machen. Sonst denkt man sofort: ein Schläger.»