Sollte es tatsächlich Schutzengel geben, hat für den 54-jährigen Günther K. jahrelang ein besonders fleißiges Exemplar gesorgt. Dem Frührentner wird vor einer Moabiter Strafkammer eine ganze Serie von Verkehrsdelikten vorgeworfen: Fahrerfluchten, Sachschäden, Fahrten unter Vollrausch und ohne Führerschein. Ereignet hatten sie sich zwischen 1999 und 2001. Genau genommen beginnt Günther K.s Verkehrsregister aber schon 1972, als er in Berlin in der Nähe des Kurfürstendamms die Fahrerlaubnis verlor. Auch damals schon war nicht nur das Auto, sondern auch der Fahrer reichlich betankt.
Seitdem hat der ehemalige Jurastudent den Führerschein nie wieder zurückbekommen. Was ihn nicht hinderte, weiterhin zu fahren. Meistens große Mobile. Die seien für ihn wichtig gewesen, sagt eine medizinische Sachverständige. Günther K. habe vom 27. Lebensjahr an als Immobilienmakler gearbeitet und bei den Kunden repräsentativ vorfahren wollen. Etwa zeitgleich hätten sich bei ihm die ersten Symptome einer «affektiven Störung mit manisch-depressiven Zügen» gezeigt. Danach gab es für den inzwischen berenteten Patienten mindestens ein Mal im Jahr einen längeren Aufenthalt in der Psychiatrie. Vor allem bei den manischen Schüben, sagt die Gutachterin, habe er eine gesteigerte Aktivität gezeigt und mit Grundstücken gehandelt. «Zumindest in den ersten Jahren keineswegs ohne Erfolg.» Doch zu diesem Job gehörte immer auch das Auto.
Polizisten vermerkten nach einer Überprüfung, dass an der Fahrertür des lallenden Fahrzeughalters K. eine Halterung für die stets griffbereite Bierbüchse montiert war. In einem anderen Protokoll ist davon die Rede, dass K. in seinem Auto auf der Straße gestanden habe, hilflos, mit drei Promille Alkohol im Blut. Ein Zeuge erzählt, wie der Angeklagte in einem Honda haarscharf an ihm vorbeigerast und auf ein Fahrzeug geprallt sei; man habe ihn erst zwei Kreuzungen weiter stoppen können.
Spätestens hier muss wieder der Schutzengel erwähnt werden; denn es gab zwar reichlich verbogenes Blech, Menschen indes kamen glücklicherweise nie zu Schaden. Und noch einmal gibt es den Schutzpatron: 18 Monate Gefängnis lautet die milde Strafe, ausgesetzt auf Bewährung. Auch die vor dem Prozess im Raum stehende Zwangseinweisung in die Psychiatrie wird es nur geben, wenn K. gegen Auflagen verstößt. So muss er regelmäßig nachweisen, dass er seine Arzneien nimmt.
Und er wird nie wieder einen Führerschein bekommen - aber das war für ihn bislang ja das kleinste Problem.