Bessere Chancen für alle Kinder

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Sybille Nitsche

Das Recht des Politikers ist es offenbar in Zeiten des Wahlkampfes, Vorschläge zu machen, die nicht neu oder nicht praktikabel sind, und das des Praktikers, darüber milde zu lächeln. So etwa verhält es sich mit dem Vorstoß des niedersächsischen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel (SPD), eine Ausländerquote an Grundschulen zu fordern und diese «per Bustourismus» durchzusetzen - und der Reaktion von Gerd-Jürgen Busack, Schulleiter der Nürtingen-Grundschule in Kreuzberg. Gabriel will «das Verhältnis von Ausländerkindern zu deutschen Kindern in Schulen erträglich machen», um Erstere aus der Gettoisierung herauszuholen, die ihnen «jede Zukunftschance raubt». Notfalls müssten die Ausländerkinder und die deutschen Kinder per Bus auf die Schulen verteilt werden, so Gabriel weiter.

«Eine löbliche Idee und wichtig», sagt Busack, an dessen Schule 72 Prozent der Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache sind. Nur sei dieses U-Boot hier in Berlin schon viermal auf- und sehr schnell wieder abgetaucht. Busack hält es nicht für praktikabel, «per Anordnung und Bus» ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache und Deutsch sprechenden Schülern zu erreichen. «Der Widerstand der Eltern wäre zu groß und das Vorhaben rechtlich nicht durchsetzbar.»

Uwe Goetze, schulpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, sieht das ähnlich. Ein CDU-Abgeordneter hatte Ende der 90er-Jahre schon einmal dieses Bus-Modell vorgeschlagen und scheiterte. Das sah vor, die hohe Konzentration von nicht Deutsch sprechenden Schülern an Schulen wie in Kreuzberg aufzuweichen und diese in Schulen mit vorwiegend deutschen Kindern per Bus zu bringen - zum Beispiel nach Zehlendorf.

Berlins Schulsenator Klaus Böger (SPD) hält eine Quotierung zwischen Schülern deutscher und nicht deutscher Herkunftssprache für sinnvoll, besonders unter dem Aspekt der Sprachförderung von Migrationskindern, gleichwohl das für Berlin nichts Neues ist. In einer Richtlinie heißt es, wenn mehr als ein Viertel der Schüler in einer Klassenstufe dem Unterricht nur mit sprachlichen Schwierigkeiten folgen könnten, müsse durch geeignete Maßnahmen eine gleichmäßige Verteilung dieser Schüler vorgenommen werden - wenn nötig auch «überschulisch und überbezirklich». Das Bus-Modell lehnt Böger jedoch kategorisch ab.

Auch der Berliner Grundschulverband ist gegen diese Art von «Schülertourismus». Sein Sprecher Peter Heyer fürchtet, dass hier ein gesellschaftspolitisches Problem versucht werde zu lösen zu Lasten der Kinder. «Wenn diese Ballungszentren von Migranten in den Städten nicht mehr gewünscht sind, dann ist die Schule das denkbar schlechteste Instrument, dies aufzubrechen», sagt Heyer. Zwar ist auch sein Verband für eine Auflösung der sehr eng gefassten Schuleinzugsgebiete, am Prinzip der wohnortnahen Einschulung wolle er jedoch festhalten.

Praktiker Busack sieht jedoch in der Fokussierung auf die ungenügenden sprachlichen Fähigkeiten von Migrationskindern eine Verkürzung des Problems. «Wir brauchen ein Integrationsgesetz, dass jenen Menschen sagt, die sich dafür entscheiden, ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland zu haben, was das bedeutet.»