Alice Ströver ist untröstlich. Die fußballbegeisterte Kulturfrau der Berliner Grünen wird die Jagd nach dem runden Leder bei der Weltmeisterschaft in Asien nur eingeschränkt verfolgen können. Mehr noch als die ungünstigen Fernseh-Übertragungszeiten halten sie die parlamentarischen Haushaltsberatungen von der schönsten Nebensache der Welt ab. Mit ihrem Enthusiasmus für König Fußball steht die gebürtige Niedersächsin in ihrer Fraktion nicht allein. Während der Bundesliga-Saison geben die Grünen-Abgeordneten genauso ihre Tipps ab wie während der WM.
Auch die Liberalen spielen bei einer Wette Propheten. Mit zehn Euro ist man dabei. Wenn es irgend geht, können Abgeordnete und Mitarbeiter das deutsche Team auf dem Büro-Fernseher anschauen, zeigt Fraktionschef Martin Lindner - bekennender Bayern-Fan - Großmut.
Ein paar Zimmer weiter wird Oppositionsführer Frank Steffel (CDU) den deutschen Kickern die Daumen drücken. In der Pressestelle stehen für die Fußballanhänger der Fraktion zwei Fernseher bereit. Neben Hertha-Fan Steffel werden vermutlich auch Fritz Niedergesäß, Peter Trapp und Michael Borgis mit der deutschen Mannschaft fiebern.
Bei den Sozialdemokraten stürmt in Sachen rundes Leder Frank Zimmermann voran. Der Finanzexperte tritt selbst seit 30 Jahren bei einem Schöneberger Verein den Ball: Als Linksaußen, versteht sich. Da ist das Zuschauen fast ein Muss. Notfalls werden Beratungen der Fraktion eben verschoben.
Dagegen ist der PDS-Fraktion mit ihrem ehemaligen Sprecher Günter Kolodziej der größte Fußballfreak verlustig gegangen. Die Fahne der Getreuen unter den Abgeordneten hält nun der Parlamentarische Geschäftsführer Uwe Doering hoch. Fraktionschef Harald Wolf gilt als Fußball-Muffel.
Auch bei Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) hält sich die Leidenschaft für die populärste deutsche Sportart in Grenzen. Einschränkungen im parlamentarischen Geschäft wird es wegen der WM nicht geben. Da kennt der Hausherr mit den Mitarbeitern seiner Verwaltung keine Gnade. ddp