Wer würde da nicht mitfiebern?

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Auf der Terrasse des Dorset-Hauses hinter der Waldbühne kann man sie Sonnabendabend schon hören: die 70 000 Fußballfans, die im Olympiastadion auf den Anpfiff des DFB-Pokalfinales warten. Im Dorset-Haus, einer ehemaligen britischen Offiziersmesse, erhoffen die VIP-Gäste von Mercedes-Niederlassungschef Walter Müller - darunter der Chef der DaimlerChrysler Vertriebsorganisation, Eckhard Panka , - derweil die Ankunft von Leverkusens Manager Reiner Calmund und Fußballlegende Klaus Fichtel , der seine Karriere 1965 bei Schalke begann und sie 1986 nach über 550 Bundesligaspielen beendete.

«Der Showdown des Deutschen Fußballs ist Kult», sagt Walter Müller. «Wer würde nicht mitfiebern mit Leverkusen, die eine Riesen-Saison gespielt haben. Auf der anderen Seite Schalke. Die Karten sind gemischt.»

Fichtel und Calmund betreten jetzt den Raum, Calmund zuppelt an seinem Anzug herum, schüttelt Hände und verkündet alsdann: «Das Pokalfinale in Berlin ist nicht nur ein sportlicher, sondern auch ein gesellschaftlicher Höhepunkt.» Recht hat er.

Was man gleich selbst sehen wird, nachdem die Busse die VIP-Gäste zum Stadion gebracht haben. Auf der Ehrentribüne haben sich schon, einmal sehr salopp überschlagen, der halbe Bundestag und die halbe Bundesregierung versammelt. Die Stimmung ist grandios, das Wetter perfekt, es hat sich abgekühlt, regnet aber nicht mehr. Bleibt also nur noch eine Frage: Wer soll siegen?

«Ich muss unparteiisch sein», sagt Bundesinnenminister Otto Schily , zieht seinen leichten Trenchcoat aus - und sich damit geschickt aus der Affäre. Politiker können das ja immer ganz hervorragend.

Bundespräsident Johannes Rau kommt inzwischen mit Ehefrau Christina an, der Berliner Stadtentwicklungssenator Peter Strieder steuert, den obersten Hemdknopf leger geöffnet, krawattenlos auf eine andere Sitzreihe zu, in der bereits CDU/CSU/-Fraktionschef Friedrich Merz (das Hemd hochgeschlossen und von einer Krawatte innigst umschlungen) Platz genommen hat.

Rechts von Christina Rau ist nun Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit zu entdecken. Außerhalb der Regierungsgeschäfte liebt es der Regierende lässig: Es ist schon des öfteren vorgekommen, dass er eine Veranstaltung mit Krawatte betreten, aber ohne Krawatte verlassen hat. Beim DFB-Pokalfinale wählt er jedenfalls die sportliche «ohne»-Variante.

DFB-Chef Gerhard Mayer-Vorfelder hält sich offenbar sowieso lieber an Bundeskanzler Gerhard Schröder , der ja bekanntlich ein bekennender Borussia-Dortmund-Anhänger ist, Mayer-Vorfelders Ehefrau Margit unterhält mit ausschweifenden Gesten den Bundespräsidenten.

«Das Pokalendspiel ist zum gesellschaftlichen Highlight geworden», freut sich Verfassungsrechtler und CDU-Mann Rupert Scholz , der beim DFB einst massiv dafür warb, das Endspiel nach Berlin zu holen. Scholz ist Hertha-Fan, sitzt bei Hertha-Spielen auch mal im Fanblock - insofern kann er das Pokalendspiel als «Unbeteiligter» ganz entspannt von der Ehrentribüne aus verfolgen, auf der man unter anderen auch CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer die ehemalige Volkskammerpräsidentin Sabine Bergmann-Pohl sowie Bundesfamilienministerin Christine Bergmann trifft, die den Spielerinnen des 1. FFC Frankfurt schon den DFB-Pokal der Frauen überreicht hat. Beim Endspiel der Männer dominiert Sonnabendabend dann in den Rängen des Olympiastadions die Farbkombination Blau-Weiß, während Schalke auf dem Rasen dafür kämpft, dass der Mannschaft der Titel (Schalke gewinnt schließlich 4:2) erhalten bleibt.

«Ich denke, es waren wirklich zwei völlig unterschiedliche Halbzeiten», kommentiert Bundeskanzler Schröder nach dem Abpfiff den Spielverlauf. «Wenn Berbatow kurz vor der Pause das 2:0 gemacht hätte, wer weiß, wie das Spiel ausgegangen wäre. Die bessere Mannschaft sollte gewinnen, und das hat sie getan. Leverkusen ist so eine Klassemannschaft, dass sie kein Mitleid braucht. Ich drücke die Daumen für das Champions-League-Finale.»

NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement rühmt derweil Schalke: «Der Kampfgeist und die spielerischen Glanzlichter waren eine Werbung für den Fußball.» Sprachs und feierte mit Schalke später im Hotel Steigenberger. Bundesinnenminister Schily versuchte, Calmund zwar aufzumuntern. Es nützte aber nichts.

Leverkusens Manager kam zwar noch ins Restaurant «Margaux» am Pariser Platz. Eine ausschweifende Feier wie bei Schalke im Steigenberger gab es aber nicht. Calmund: «Wir hatten das Spiel eigentlich im Griff. Aber der Ausgleich kurz vor der Pause hat das Spiel gekippt. In der 2. Halbzeit hat Schalke verdient gewonnen. Was wir da gespielt haben, war zu wenig.» Vielleicht hätte sich Schily mit seinen tröstenden Worten noch mehr ins Zeug legen sollen. pop