Der S-Bahnunfall vom Freitag, bei dem am Hackeschen Markt zwei Züge der Linie 7 aufeinander fuhren, wirft Fragen auf: Wieso hört man nichts über den Fahrer? Ist dieser zu schnell gefahren, oder hat die Technik versagt? Warum schweigen die Ermittlungsbehörden? Ständig meldeten sich am Wochenende Leser bei der Morgenpost. Sie wollten Antworten auf die brennenden Fragen hören.
Die S-Bahn verweigerte gestern weiter jegliche Auskunft. Die Untersuchungen würden vom Bundesgrenzschutz (BGS) sowie dem Eisenbahnbundesamt (Eba) geleitet. «Wir haben auf das Tempo der Ermittlungen beim BGS oder dem Eba keinen Einfluss. Es ist seit jeher so, dass wir uns zu laufenden Ermittlungen nicht äußern», sagte S-Bahnsprecher Ingo Priegnitz.
Der BGS verwies darauf, dass die Untersuchungen «sehr umfangreich» seien. «Es müssen Zeugen und Triebfahrzeugführer befragt werden. Auch gilt es zu überprüfen, wie Signale und Weichen gestellt waren. Dies alles braucht Zeit. Unsere Ermittler sind noch nicht so weit», sagte der Berliner BGS-Sprecher Michael Bayer. Er konnte nicht mitteilen, ob der Fahrer des aufgefahrenen Zuges bereits befragt worden sei. Dem Vernehmen nach steht dieser noch unter Schock und darf daher nicht verhört werden. Ähnlich wie bei einem Autounfall werden seine Aussagen später mit denen von Sachverständigen zusammen ausgewertet. «Das kann bis zu drei Wochen dauern», sagte der BGS-Sprecher.
Dass es bei bedeutend größeren Unfällen in der Bahngeschichte - wie etwa dem ICE-Unglück bei Eschede - schon nach wenigen Tagen erste Verdachtsmomente gab, die sich dann erhärteten, ließen weder Priegnitz noch Bayer für einen Vergleich gelten. Die Ermittlungen könnten bis zu drei Wochen dauern, hieß es. Das Eisenbahnbundesamt war nicht für Auskünfte zu erreichen.
Die Berlin CDU fordert daher, dass die Sicherheitssysteme bei der S-Bahn auf «mögliche Lücken» hin überprüft werden sollten. «Zwar hat die S-Bahn eines der modernsten technischen Systeme, aber das Thema ,menschliches Versagen' sollte man näher beleuchten», sagte der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Alexander Kaczmarek.
Nach dem Stand der Informationen geht der Fahrgastverband Igeb von menschlichem Versagen aus. «Fährt ein Zug an einem roten Signal vorbei, wird er automatisch runtergebremst. Nur nach Rücksprache mit dem Fahrdienstleiter darf diese Regelung umgangen werden. Der Fahrer muss deshalb Grün gehabt haben und auf Sicht gefahren sein», mutmaßt der Igeb-Vorsitzende Gerhard Curth. Warum der Fahrer bei der gut einsehbaren Strecke am Hackeschen Markt dennoch nicht bremste, «ist mehr als merkwürdig». Wenn ein Zug in einem Bahnhof hält, sind die Signale hinter ihm so geschaltet, dass eine folgende Bahn bremsen und vor einem roten Signal halten muss. Damit ein Fahrer zudem nicht «am Steuer» einschläft, muss er alle 30 Sekunden einen Schalter drücken. Macht er das nicht, wird die Bahn nach 45 Sekunden zwangsgebremst.
Bei dem Unfall am Freitag waren 16 Menschen verletzt worden. Der Aufprall war so heftig, dass Glaswände im Zug barsten. Fahrgäste wurden herumgeschleudert.