Hungern für die Quote

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A. Berkheeva, G.Doelfs und M. Quiring

Jeden Abend ab 21 Uhr Moskauer Zeit können sich zurzeit russische Fernsehzuschauer an hungernden TV-Show-Teilnehmern in Berlin ergötzen. Fernab der Heimat müssen zwölf junge Männer und Frauen im Alter zwischen 20 und 28 Jahren für die Show "Golod" (Hunger) 100 Tage lang vor laufender Kamera ohne Geld und Lebensmittel an der Spree überleben.

Die Show-Kandidaten wurden im Vorfeld völlig ahnungslos darüber gelassen, in welcher Stadt und in welchem Land die Sendung gedreht wird. Deshalb wurden sie mit verbundenen Augen nach Berlin geflogen. Der private Sender, der als russische Variante von RTL 2 gilt und nur leichte Unterhaltungskost sendet, treibt seit Beginn der Sendung am 7. November mit der Brutalo-Variante von Big Brother seine Quote in die Höhe. In der Gruppe der 18- bis 45-Jährigen meldet TNT stolz russlandweit elf Prozent Einschaltquote.

Regelmäßig werden für die Show zwei Kandidaten irgendwo in Berlin ausgesetzt und müssen sich, entweder begleitet von einem Fernsehteam oder mit in der Kleidung versteckten Kameras, Nahrungsmittel besorgen. Wie sie das anstellen, bleibt den Kandidaten überlassen. Im Vertrag der Teilnehmer heißt es ausdrücklich, dass "sie alle Schwierigkeiten, die mit dem Leben ohne Geld in einer unbekannten Stadt verbunden sind, tragen müssen." Die Teilnehmer müssen schriftlich akzeptieren, dass ihr "Leben und ihre Gesundheit gefährdet werden können".

Was das heißt, zeigt das Beispiel von zwei Frauen aus Saratow und Kasan, die vor wenigen Tagen am Brandenburger Tor ausgesetzt wurden. Die beiden, die kein Wort Deutsch sprechen, irrten hilflos durch Berlin und versuchten, mit Bettelei oder Fensterputzjobs an Geld zu kommen. Als gestern zwei weitere Teilnehmerinnen von Männern angesprochen wurden, sorgten mögliche Prostitutionsversuche der Frauen für vergnügte Kommentare auf der TNT-Homepage. Wer den Hunger nicht aushält, bekommt Essen - aber nur gegen sehr viel Geld. Ein Schokoladenriegel kostet 3000 Dollar, ein Teller mit Makkaroni 2400. Ob und wie die Kandidaten diese Summen zahlen, ist unklar. Dem Gewinner wird aber die Verpflegung von seiner Siegesprämie von lebenslang monatlich 1000 Dollar abgezogen.

Die Berliner Polizei kündigte inzwischen an, sofort einzuschreiten, "wenn wir den Verdacht haben, dass die Teilnehmer Straftaten begehen", sagte Sprecher Klaus Schubert. Dazu zähle auch das Anstiften zu einem Diebstahl oder das Festhalten von Kandidaten gegen deren Willen, so Schubert.