Genau 50 Jahre ist es her, dass das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Kraft trat - in manchen Köpfen scheint der Gedanke noch immer nicht verankert zu sein.
Geteilte Elternzeit
Rindler ist studierter Ethnologe, fand aber in seinem Bereich keine Stelle und arbeitet im Einzelhandel - fest angestellt, zu seinem Glück. Ein knappes halbes Jahr vor seinem Start als Hausmann sprach der 41-Jährige mit seiner Chefin über seine Pläne. "Sie musste erst einmal schlucken, sagte nichts. Dann musste ich meinen Wunsch schriftlich einreichen, 14 Tage später kam die Genehmigung", erinnert sich Thomas Rindler. Er ist der erste Mann in dem Geschäft mit rund 20 Angestellten, der die Elternzeit in Anspruch nimmt. "Für viele war es eine Überraschung, Ablehnung habe ich aber nicht erfahren. Mit der Zeit hatten alle Verständnis."
Trotzdem: Bei seiner Lebensgefährtin Annemarie Kirsch (32), Kriminalkommissarin, sei es von Anfang an selbstverständlich gewesen, ein Jahr zu pausieren. "Da wurde nur gefragt, wie lange sie weg bleibt und die Sache war erledigt." Trotz hoher finanzieller Einbußen - der Familie entgehen rund 800 Euro Verdienst monatlich - entschied sich das Paar für eine Teilung der Elternzeit. Für beide ein Vorteil: Annemarie Kirsch konnte bald wieder in ihren Beruf zurück, und ihr Lebensgefährte begründet seinen Schritt wie folgt: "Ich möchte so viel wie möglich von Hermines ersten Lebensjahren mitbekommen."
Freizeit - wie die Kollegen anfangs vermuteten - hatte er in den vergangenen fünf Monaten seiner Elternzeit nicht. Im Gegenteil: "Ein Kind zu betreuen ist ein Fulltimejob." Hilfe im Alltag und Gleichgesinnte findet er auch im Väterzentrum Berlin in Prenzlauer Berg. Während Hermine dort mit anderen Kindern spielt, tauschen sich die Väter über Elterngeld, Wiedereinstieg in den Beruf, aber auch über Fußball und andere Dinge aus.
Papas mit Kinderwagen - in jungen Berliner Stadtteilen wie Prenzlauer Berg wundert sich über dieses Gespann niemand mehr. Immer mehr Väter in Deutschland nehmen eine Babypause - allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es 18 Prozent. Vor der Einführung des Elterngeldes lag der Anteil der Väter, die Erziehungszeit in Anspruch genommen hat, bei gerade einmal 3,5 Prozent. Berlin rangiert mit 15 Prozent Männeranteil bundesweit ganz vorn.
"Aber außerhalb meines Stadtteils wurde ich schon immer mal komisch angeschaut", sagt Lars Hoffmann (37). Vor allem ältere Frauen warfen ihm skeptische Blicke zu. "Wo ist wohl die Mutter? Und kann der das?", schienen sie zu fragen. Lars Hoffmann konnte. Zehn Monate lang kümmerte sich der Unternehmensberater aus Prenzlauer Berg um Tochter Lara. Deren Mutter Cathrin Bonhoff, Journalistin, konnte schnell in ihren Beruf zurückkehren.
Unüblich in Führungsetagen
Die wenigsten Männer pausieren so lange wie Lars Hoffmann. Zwei Drittel der erwerbstätigen Väter bevorzugten laut Statistischem Bundesamt im ersten Quartal 2008 eine zweimonatige Babypause, nur jeder zehnte Vater nutzte die maximale Betreuungszeit von einem Jahr. Zum Vergleich: Von den berufstätigen Müttern nahmen 90 Prozent die gesamten zwölf Monate in Anspruch. Gerade in den Führungsetagen von Unternehmen scheint die Gleichberechtigung von Mann und Frau oftmals noch nicht angekommen zu sein. Nicht nur, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen gering ist - auch Väter, die sich in Vollzeit um ihr Kind kümmern wollen, sind nicht unbedingt gern gesehen. So ergab etwa eine interne Studie der Commerzbank, dass einerseits zwar gute Rahmenbedingungen für die Väterzeit gegeben waren, andererseits aber nicht selten die Erlaubnis "von oben" fehlte, diese auch zu nutzen.
"Gehst du jetzt stillen?", witzelten auch die Vorgesetzten von Lars Hoffmann, als in der Firma durchsickerte, dass er für ein paar Monate zu Hause bleiben wollte. Ein bisschen ärgerte er sich über die blöden Sprüche. "Aber im Großen und Ganzen war es mir egal", sagt er, "das ist halt noch eine Generation, die nichts damit anfangen kann, dass Väter sich um ihre Kinder kümmern wollen."
Wachsende Nähe von Vater und Kind
In seiner Elternzeit konnte sich Lars Hoffmann ganz auf seine kleine Tochter einlassen. "Wir sind uns immer näher gekommen", sagt er. "Das ist einfach ein wundervolles Erlebnis." Mittlerweile ist Lara 16 Monate alt und geht in die Kita. Und Lars Hoffmann sitzt wieder mehr am Schreibtisch als auf Spielplätzen. Die innige Zeit mit seinem Kind fehlt ihm. "Ich möchte, dass die Nähe zwischen uns erhalten bleibt", sagt er. Deshalb gehört jetzt jeden Tag mindestens eine Stunde ausschließlich Lara.
Andreas Seelig aus Kreuzberg und seine knapp vier Wochen alte Tochter haben sich derzeit noch ganz für sich. Maja schläft friedlich in seinem Arm. Er atmet tief durch und lehnt sich auf dem Sofa zurück. "Schön, wenn sie schläft", sagt er. "Dann kann man sich einmal einen Moment ausruhen." Der 42-Jährige ist Neurologe. Für die kommenden acht Monate hat er seinen weißen Kittel gegen Windeln und Milchfläschchen getauscht. "Die ersten drei Monate haben meine Frau und ich jetzt gemeinsam Elternzeit", erzählt er. Ab Oktober kümmert er sich dann fünf Monate lang allein um Maja. Und um die beiden Geschwister Emilia (6) und Paul (8).
Erziehungsurlaub statt Oberarztstelle
"Das ist schon ganz schön harte Arbeit", sagt Andreas Seelig. Der eine muss zum Aikido, die andere zur Geigenstunde. Dazwischen das Baby, das Bedürfnisse hat. "Es ist gut, diese Erfahrung zu machen", sagt er. Für Andreas und Elena Seelig war schon zu Beginn der Schwangerschaft klar, dass sie sich dieses Mal die Arbeit teilen werden. Sie ist selbstständig, hat eine Tanzschule und wollte früh wieder einsteigen. Sein Chef in der Klinik war jedoch nicht so begeistert über den Erziehungsurlaub seines Funktionsoberarztes. "Und dann auch noch so lange", sagt Andreas Seelig. "Das konnte er gar nicht fassen." Er hielt trotzdem an seinem Entschluss fest. "Die Zeit mit meiner Familie ist mir wichtig", sagt er. "wir haben die letzten Jahre wenig voneinander gehabt. Ich bin abends häufig spät nach Hause gekommen." Wie es aber nach der Elternzeit weitergeht, weiß er noch nicht. Seine befristete Stelle im Krankenhaus ist nicht verlängert worden. Dass die Elternzeit der Grund ist, hat niemand offen gesagt. Doch Andreas Seelig vermutet: "Einen Anteil hat es sicher gehabt."