Union und FDP streiten immer heftiger über das angekündigte Anleihenankaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB). Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, der beim Bundesverfassungsgericht bereits gegen den Euro-Rettungsschirm ESM geklagt hatte, will das am Mittwoch erwartete Urteil nun wegen der EZB mit einem neuen Eilantrag stoppen. Der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Armin Laschet verteidigte die Notenbank dagegen vehement und sprach von „PR-Mätzchen“ des Euro-Kritikers. Der Unions-Fraktionschef Volker Kauder warnte unterdessen in der „Bild“-Zeitung davor, dass die Unabhängigkeit der EZB durch ihre Bindung an politische Entscheidungen über Hilfsprogramme „ein wenig in Frage gestellt“ sei. Auch FDP-Chef Philipp Rösler äußerte sich kritisch.
Gauweilers Kritikpunkt ist, dass unlimitierte Ankäufe der Notenbank demokratische Entscheidungen unterliefen. „Der ESM - sofern er überhaupt verfassungskonform ist – soll nur in Kraft treten können, wenn die EZB ihre Selbstermächtigung zu einem Hyper-Rettungsschirm zurückgenommen hat“, heißt es in einer Mitteilung des CSU-Politikers. Der Prozessbevollmächtigte Gauweilers, der Staatsrechtler Dietrich Murswiek, habe zudem eine Vertagung des ESM-Urteils beantragt, wenn das Bundesverfassungsgericht nicht bis Mittwoch über den Eilantrag gegen die EZB-Anleihenkäufe entscheiden könne.
Unkalkulierbares Risikio
Gauweiler begründet den Antrag damit, dass das Gesamtrisiko für den Bundeshaushalt, das sich aus dem ESM-Vertrag und den sonstigen Euro-Rettungsmaßnahmen ergibt, „völlig unkalkulierbar und deshalb auch unverantwortbar geworden“ sei. Vergangene Woche hatten etliche andere Koalitionspolitiker auch eine Klage der Bundesregierung gegen die EZB vor dem Europäischen Gerichtshof gefordert. EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen räumte in einem ZDF-Interview ein, dass der Anleihekauf mit Risiken behaftet sei. Untätigkeit berge jedoch ebenfalls große Gefahren, sagte Asmussen.
FDP-Chef Rösler sprach in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ am Sonntagabend davon, dass sich „an unserer skeptischen Haltung sich ausdrücklich nichts geändert“ habe. „Dauerhafte Anleihenkäufe können niemals eine richtige Lösung sein“. Zugleich betonte der Bundeswirtschaftsminister aber, dass er auf ein positives Votum des Verfassungsgerichts beim ESM hoffe.
Laschet vergleicht EZB mit Bundesbank
In der Union stieß Gauweilers Vorgehen auf Ablehnung: „Mich überzeugt die Eilklage nicht. Denn ich sehe keinen Zusammenhang zwischen dem EZB-Ankaufprogramm und dem ESM“, sagte der europapolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Stübgen, zu Reuters. Außerdem warnte er vor einer Verschiebung der seit langem angekündigten ESM-Entscheidung. „Dies wäre ausgesprochen problematisch.“
Noch härter urteilte der designierte CDU-Bundesvize Laschet. „Das ist übrigens auch kein Bruch zur Tradition der Bundesbank“, betont der nordrhein-westfälische CDU-Landesvorsitzende. „Die Bundesbank hat in den 90er Jahren an einem Wochenende einmal für über 60 Milliarden DM französische Franc zur Stabilisierung der Lage aufgekauft – ohne Konditionalität. So ungewöhnlich ist das EZB-Verhalten also gar nicht“, sagte er. „Die EZB handelt im ureigensten deutschen Interesse.“
Juristen gespalten
Unter Juristen ist die Bedeutung der Eilklage umstritten. Der Staatsrechtler Markus Kotzur von der Universität Hamburg erwartet keine Verschiebung des BVG-Urteils, weil das Verfassungsgericht die Bedenken Gauweilers mit Sicherheit schon mit abgewogen habe. Dagegen glaubt der Europa-Rechtler Gunnar Beck von der Universität London, dass der ESM verfassungswidrig sei. Er erwarte zwar dennoch nicht, dass Karlsruhe dem Rettungsschirm die Zustimmung verweigern werde. „Aber weil EZB-Präsident Mario Draghi so offensichtlich den Artikel 123 des EU-Vertrages gebrochen hat, wird es für das Gericht durch Gauweilers Eilklage sicher schwieriger, den unlimitierten Anleihenaufkauf einfach abzunicken“, sagte Beck.