Noch residieren große Teile des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Pullach. Doch der Dienst bereitet sich auf den Umzug nach Berlin vor. Ab 2014 sollen erste Teile des Neubaus in Mitte bezogen werden. Neuer Präsident des Amtes mit seinen gut 6000 Mitarbeitern ist seit diesem Januar Gerhard Schindler.
Morgenpost Online: Herr Schindler, vor acht Monaten sind Sie zum Präsidenten des BND berufen worden. Haben Sie auch einen richtigen Decknamen?
Gerhard Schindler: Nein, und das geht auch in Ordnung.
Morgenpost Online: Der Etat des BND ist zuletzt um gut sechs Prozent gestiegen. Erstmals erhält er mehr als 500 Millionen Euro, gut doppelt so viel wie das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Militärische Abschirmdienst zusammen. Warum brauchen Sie so viel?
Gerhard Schindler: Die Steigerung ist ausschließlich auf die Ausgaben für den Neubau des BND in Berlin zurückzuführen. Gutes Personal und gute Technik sind im Übrigen nicht billig. Der große Etat muss uns dazu verpflichten, das zu bringen, was man von uns verlangt: Informationen auf nachrichtendienstlicher Basis für die Entscheidungsträger im Kanzleramt, in den Ministerien und im Bundestag. Ich verstehe uns als Dienstleister für die Politik, die damit besser für die Sicherheit der Bürger sorgen kann.
Morgenpost Online: Tatsächlich herrscht in der Politik ein Unbehagen über die Dienste. Ist der Vorwurf falsch, dass der BND sich der Kontrolle durch das Parlament entzieht?
Gerhard Schindler: Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn uns die Politik gründlich auf die Finger schaut. Und ich finde es auch völlig in Ordnung, wenn die Kontrolle des BND durch das zuständige Gremium im Bundestag ausgeweitet wird. Es gibt ein Recht der Abgeordneten auf Kontrolle. Wird dieses effektiv ausgeübt, kann uns das bei unserer Arbeit nur helfen.
Morgenpost Online: Und was tun Sie selbst, um den BND auf Vordermann zu bringen?
Gerhard Schindler: Über die Jahrzehnte hat sich eher unbewusst eine Vielzahl bürokratischer Hemmnisse angesammelt. So mussten unsere Residenten im Ausland bis vor Kurzem vor jeder Dienstreise einen schriftlichen Antrag stellen. Das ist völlig unpraktikabel, wenn man schnell eine Kontaktperson treffen will. Ich habe eine neue Regel eingeführt: Reisen bis zu fünf Tage müssen jetzt nur angemeldet werden, Anruf genügt. Von solchen überflüssigen Vorschriften gibt es leider etliche. Deshalb habe ich eine Arbeitsgruppe zum Abbau von Bürokratie eingerichtet. Gut 200 Anregungen aus unseren Abteilungen sind zusammengekommen. Wenn wir nur die Hälfte davon umsetzen können, wären wir schon deutlich besser aufgestellt.
Morgenpost Online: Auch das neue Hauptquartier in Berlin wirft Fragen auf. Der Bau erscheint ungeheuer monströs, dagegen wirkt selbst die ehemalige Stasi-Zentrale an der Normannenstraße klein. Ist das Ganze eine Nummer zu groß geraten?
Gerhard Schindler: Ich finde, der Neubau des bekannten Architekten Jan Kleihues strahlt gleichermaßen Stärke und Ästhetik aus. Deshalb passt er zu einem Nachrichtendienst.
Morgenpost Online: Sie wollen mehr Transparenz. Wie wäre es mit Tagen der offenen Tür?
Gerhard Schindler: Die veranstalten wir bereits für die Familien unserer Mitarbeiter. Andere müssen leider draußen bleiben, auch wenn dies Agenten anderer Dienste stören mag. Allerdings wollen wir in dem Neubau ein öffentlich zugängliches Museum einrichten und dort eine Ausstellung zur Geschichte der Geheimdienste zeigen.
Morgenpost Online: In Berlin werden künftig rund 4000 Mitarbeiter tätig sein, auf einer Bürofläche so groß wie 35 Fußballfelder. Bei geschätzten Baukosten von zwei Milliarden Euro kostet die Unterbringung eines Mitarbeiters gut 450.000 Euro – so viel wie ein Einfamilienhaus. Ist es da abwegig, von Luxus zu sprechen?
Gerhard Schindler: Der BND ist nicht Bauherr, ich kann deshalb zu den Kosten nicht abschließend Auskunft geben. Im Übrigen halten sich Ausstattung und Größe der Büros aber sklavisch an die Vorgaben der Bundesbauvorschriften – und die sind eher auf Kante genäht. Von Luxus kann da wirklich keine Rede sein.
Morgenpost Online: Das Projekt erinnert uns irgendwie an den Großflughafen Berlin-Brandenburg: Es wird immer teurer und nicht fertig. Wann endlich wird der BND von Pullach in sein neues Quartier nach Berlin ziehen?
Gerhard Schindler: Teile des Gebäudes werden wir bereits Anfang 2014 nutzen. Der Hauptumzug wird sich voraussichtlich um 14 Monate auf das Jahr 2016 verschieben, vor allem weil die Lüftungsanlage nicht den Vorschriften entsprach. Sie musste deswegen aus- und nochmals neu eingebaut werden.
Morgenpost Online: Wie wird sich der Dienst verändern, wenn er in Nähe zur Bundesregierung angesiedelt ist? Naturgemäß verlieren Behörden dadurch an Eigenständigkeit.
Gerhard Schindler: Es wird dem BND guttun, näher an die Politik zu rücken. Das wird uns ein Stück weit mental verändern. Auch der einzelne Mitarbeiter wird sehen: Was er tut, landet nicht in verstaubten Archiven, sondern wird aktuell gebraucht.
Morgenpost Online: Auf welche Ihrer Leistungen wollen Sie am Ende der Amtszeit mit Stolz zurückblicken?
Gerhard Schindler: Es wäre toll, wenn im BND ein neuer Korpsgeist entstünde. Alle Mitarbeiter sollten stolz darauf sein, für uns zu arbeiten.
Morgenpost Online: Als BND-Präsident steht Ihnen jederzeit ein Jet vom Typ Daussault Falcon 900 EX zur Verfügung, mit Loungesesseln aus Leder und einer feinen Bordküche. Eine solche Maschine hat nicht mal die Kanzlerin. Ist ein solches Privileg noch zeitgemäß?
Gerhard Schindler: Transportmittel des BND sind kein Selbstzweck, sondern immer auch nachrichtendienstlich relevant, egal ob Fahrrad oder Auto. Daher kann ich dazu öffentlich keine Auskunft geben. Ich habe aber den zuständigen Gremien des Bundestags ausführlich darüber berichtet.
Morgenpost Online: Gehen Sie selbst denn eigentlich gern in die Luft?
Gerhard Schindler: Ich bin eher ein Typ, der nicht zu Ausbrüchen neigt.