Steuersünder

Ankauf von Steuer-CDs empört die Bundesregierung

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Kristian Frigelj und Sebastian Jost

Nordrhein-Westfalen kauft erneut CDs mit Daten zahlreicher Steuersünder. Der Deal ist ein Affront gegenüber Finanzminister Schäuble.

Deutsche Behörden haben mit Hilfe angekaufter Datenträger schon zahlreiche Steuersünder überführt. Und immer hat dies für Aufregung gesorgt. Das trifft auch auf den erneuten Ankauf von Datenträgern mit den Namen mutmaßlicher Steuerhinterzieher durch das Land Nordrhein-Westfalen zu, zumal es bereit ist, weiterhin Angebote zu prüfen.

„Falls es sich aus Sicht der Steuerfahndung um werthaltige Daten handelt, wird auf Vorschlag der Oberfinanzdirektionen in Abstimmung mit dem Finanzministerium über den Ankauf im Einzelfall entschieden“, teilte das nordrhein-westfälische Finanzministerium auf Anfrage von Morgenpost Online mit.

Berichte über einen aktuellen Erwerb mehrerer Datensätze von Schweizer Banken wurden zwar nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert. „Zu Einzelfällen äußern wir uns grundsätzlich nicht“, hieß es aus dem Ministerium in Düsseldorf. Eine Bestätigung kam indes von der Staatsanwaltschaft Bochum auf Anfrage dieser Zeitung. „Uns sind kürzlich die Daten einer CD übergeben worden und wir haben daraufhin Ermittlungen aufgenommen.“ Nähere Angaben macht Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek aber nicht.

Ein Affront gegenüber Finanzminister Schäuble

Sollte NRW tatsächlich erneut Steuer-CDs gekauft haben, wäre dies ein Affront gegenüber Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Er hat mit der Schweiz ein Steuerabkommen ausgehandelt, das 2013 in Kraft treten und die rechtlich umstrittenen Geschäfte mit gestohlenen Bankdaten überflüssig machen soll.

Die SPD-regierten Länder wollen die Vereinbarung jedoch im Bundesrat stoppen, wenn es nicht deutliche Nachbesserungen gibt.

Ihr Wortführer ist ausgerechnet NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans. Der Sozialdemokrat scheint entschlossen, den Richtungsstreit über den Umgang mit Steuersündern bis in den Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr zu tragen.

NRW soll neun Millionen Euro bezahlt haben

Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ handelt es sich beim jüngsten Geschäft zwischen Steuernfahndern und Hehler um vier Datenträger, für die angeblich neun Millionen Euro gezahlt worden sein sollen. Die Ermittler hätten das Material geprüft und für „hochinteressant“ befunden.

Unklar ist, welche Banken betroffen sind. Die UBS wurde von einer Zeitung genannt, doch das Großinstitut erklärte, es gebe keinen Hinweis auf einen Datendiebstahl.

NRW-Finanzminister Norbert-Walter Borjans (SPD) rechtfertigte das international umstrittene Vorgehen auf Anfrage: „Unsere Steuerfahnder sind schon von Amts wegen dazu verpflichtet, alle Anhaltspunkte auf Steuerstraftaten zu überprüfen.“ Borjans betonte, dass das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz nicht rechtsgültig sei. Zudem sei „der Erwerb angebotener Datenträger jedenfalls nach Aussagen des Bundesfinanzministeriums auch künftig möglich“.

Kauf der Steuer-CD sorgt für harsche Kritik

Der erneute Vorstoß von Nordrhein-Westfalen sorgt für bundesweite und internationale Aufregung. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), übte öffentlich Kritik in Berlin: „Der Zweck heiligt hier eben nicht die Mittel. Wir halten nichts von Steuergerechtigkeit nach dem Zufallsprinzip.“

Auch der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Klaus-Peter Flosbach (CDU), wandte sich gegen den nordrhein-westfälischen Finanzminister. Borjans habe „jedes Maß und auch jeden Respekt vor den föderalen Beratungsabläufen verloren“, sagte Flosbach gegenüber „Spiegel Online“. Steuerhinterziehung müsse „unnachgiebig verfolgt werden, aber was NRW macht, ist nicht in Ordnung“.

Das Abkommen würde dazu führen, „dass künftig jeder deutsche Anleger mit Vermögen in der Schweiz Steuern abführen muss“, sagte Flosbach. Dadurch würde der rechtlich fragwürdige Ankauf von Steuer-CDs überflüssig.

Unterstützung für NRW von der SPD

Unterstützung für das Vorgehen des bevölkerungsreichsten Bundeslandes kam indes vom finanzpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß. „Das von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ausgehandelte deutsch-schweizerische Steuerabkommen aber begrenzt die Möglichkeiten der deutschen Steuerbehörden“, betonte Poß.

Mit dem Abkommen in der vorliegenden Form sei eine faktische Entmachtung des deutschen Fiskus verbunden; dies könne nicht akzeptiert werden. Poß monierte, Finanzminister Schäuble dürfe die nordrhein-westfälische Steuerverwaltung „nicht mehr im Regen stehen lassen, wenn es um den Kampf gegen massive Steuerhinterziehung geht.“

Auch Rheinland-Pfalz ist Nordrhein-Westfalen beigesprungen: „Solange das Steuerabkommen mit der Schweiz noch nicht in Kraft ist, sind Bund und Länder nach wie vor verpflichtet, angebotene CDs mit Daten von Steuerflüchtlingen zu prüfen und bei Werthaltigkeit aufzukaufen“, sagte Finanzminister Carsten Kühl (SPD) dem „Handelsblatt“. Es sei den Steuerzahlern schlecht zu erklären, warum die Sünder verschont blieben. „Insofern handelt NRW richtig“, fügte er hinzu.

Im Juli war es nach einem Erwerb von Steuerdaten-CDs zum Streit zwischen rot-grüner Landesregierung und schwarz-gelber Bundesregierung gekommen. Schäuble hatte gegenüber der „Bild“ erklärt, es sei „scheinheilig, wenn ein sozialdemokratischer Finanzminister erzählt, er stelle Steuergerechtigkeit her, indem er flächendeckend mit Kriminellen zusammenarbeitet und zudem nur einen verschwindend kleinen Teil der Steuersünder erwischt“.

Bundesregierung sieht Steuerabkommen mit der Schweiz in Gefahr

Die Bundesregierung sieht das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz in Gefahr, das von SPD und Grünen abgelehnt wird. Die Vereinbarung, die eigentlich im Jahr 2013 in Kraft treten soll, sieht vor, dass heimlich ins Nachbarland gebrachte Gelder pauschal mit 21 bis 41 Prozent nachversteuert werden, je nach Dauer und Größe der Einlagen.

Diese Regelung soll dann rückwirkend für zehn Jahre gelten. Den Anlegern wird mit dem Abkommen zudem Straffreiheit zugesichert.

Die Schweiz hat das Abkommen bereits gebilligt. Die Schweizer Justiz hatte im Frühjahr sogar Strafanzeige gegen drei Steuerfahnder aus NRW gestellt und sie international zur Festnahme ausgeschrieben – laut Düsseldorfer Finanzministerium würden sich Steuerfahnder aber nicht strafbar machen, wenn sie angebotene Daten-CDs nutzen.

Rot-grüne Opposition will Steuerabkommen blockieren

In Deutschland will die rot-grüne Opposition hingegen dem Abkommen im Bundesrat nicht zustimmen. NRW-Finanzminister Borjans begründet die Blockadehaltung damit, dass das Abkommen „eklatante Schlupflöcher“ für Steuerhinterzieher öffnen würde. Man würde „die Rolle der Schweiz als Steueroase vertraglich festschreiben“. Da sei „kein Abkommen besser als so ein Abkommen“. Borjans zeigt sich offen für eine anständige Regelung. Freilich dürften die Ermittlungsmöglichkeiten künftig „nicht eingeschränkt“ werden.

Nach Angaben der NRW-Landesregierung zeigen die Ankäufe Wirkung. Seit dem Frühjahr 2010 habe es fast 6400 Selbstanzeigen und daraus resultierende Steuermehreinnahmen bis zum Herbst 2011 in Höhe von rund 300 Millionen Euro gegeben. Zudem habe eine Bank wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine Buße in Höhe von 150 Millionen Euro gezahlt. Dies sei mehr, als NRW aus dem Steuerabkommen erwarten könne. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis liegt laut Manfred Lehmann, Landesvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft in NRW, bei 1:100.