An einem Steg an der Havel kam Robert Benjamin Biskop erstmals der Gedanke, eine Stiftung zu gründen. Als Teilnehmer an der Sommeruniversität der Friedrich-Ebert-Stiftung in Potsdam-Hermannswerder sah er dort im Sommer 2008, was Stiftungsarbeit bewirken kann. Der damals 28-jährige Dramaturgie-Student engagierte sich zu diesem Zeitpunkt bereits einige Jahre an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig für eine interkulturelle Projektreihe. „Schon früh habe ich als Journalist gearbeitet und viele ältere Leute interviewt, Direktoren, Intendanten. Aber ich finde, auch junge Leute haben etwas zu sagen“, erklärt der heute 32-Jährige. „Ich habe mich immer gefragt, warum muss man erst alt sein, um etwas Interessantes zu sagen zu haben?“
Die Projektarbeit an der Uni war der beste Weg dafür. Doch was bleibt nach dem Studium? Die Antwort auf die Frage fand Biskop an dem Havelsteg. Im November 2008 gründeten er und seine Mitstreiter die Stiftung „Elemente der Begeisterung“ als deutschlandweit erste und bislang einzige nur von Studenten getragene rechtsfähige Stiftung.
Historisches Hoch
Kein Einzelfall. Seit Jahren erlebt Deutschland einen wahren Gründungsboom bei Stiftungen. 18.946 Stiftungen gab es 2011, ein historisches Hoch. Selbst während der Finanzkrise wurden jeden Tag im Schnitt mehr als zwei Stiftungen ins Leben gerufen. 100 Milliarden Euro umfasst das Vermögen der Stiftungen, rund 30 Milliarden Euro geben sie pro Jahr für Projekte aus, Spenden und Zuschüsse eingerechnet. Die wenigsten der Stiftungen haben jedoch tatsächlich Geld zu verteilen. Jede dritte besitzt weniger als 100.000 Euro Stiftungskapital, das selbst nicht angerührt werden darf. Projekte müssen durch Finanzerträge oder mit Zuschüssen und Spenden finanziert werden. Bei niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt sind die Gewinne oft so gering, dass sie kaum die Verwaltung decken.
Auch Robert Benjamin Biskop und seine Mitstreiter konnten für die Stiftung „Elemente der Begeisterung“ lediglich 16.000 Euro Stiftungskapital zusammenkratzen. Knapp vier Jahre ist das her. Seitdem organisiert Biskop Workshops zur interkulturellen und gesellschaftlichen Bildung für Studenten aller Disziplinen sowie Auszubildende und Berufseinsteiger. Die Stiftung sieht er als günstigste Möglichkeit, die im Studium begonnene Arbeit dauerhaft fortzuführen.
Deswegen war die Stiftung „Elemente der Begeisterung“ auch in diesem Jahr auf der 3. Berliner Stiftungswoche vertreten, auf der 115 Stiftungen Einblicke in die Vielfalt ihrer gemeinnützigen Arbeit gaben. Unter dem Motto „Die Rolle von Stiftungen als Förderer, Akteure und Moderatoren gesellschaftspolitischer Beteiligungsprozesse“ wollten sie öffentlichkeitswirksam zeigen, was es eigentlich bedeutet, Stifter oder Stifterin zu sein.
Durchschnittsalter sinkt
Das Durchschnittsalter der neuen deutschen Stifter sinkt von Jahr zu Jahr. Eine Wende, deren Ursache Hans Fleisch, Generalsekretär beim Bundesverband Deutscher Stiftungen, in dem gewandelten Image von Stiftungen hierzulande sieht. Längst würden sie nicht mehr nur als Körperschaften gesehen, die mit einem bestimmten Vermögen einen dauerhaften gemeinnützigen Zweck verfolgen. Stattdessen werden Stiftungen in der öffentlichen Wahrnehmung mehr und mehr als Organisationen gesehen, die sich in erster Linie durch Spenden und Zuwendungen von anderen Institutionen finanzieren.
Gleichzeitig gibt es immer mehr Stifterinnen. Fleisch sieht dafür zwei Gründe. Zum einen gehe, platt gesagt, die Diskriminierung von Frauen schlicht zurück, so Fleisch. Während ein Stifterehepaar in den 60er-Jahren lediglich unter dem Namen des Ehemanns geführt wurde, stehen heute beide im Stifterverzeichnis. Der andere Grund ist demografischer Natur: Frauen werden in Deutschland schlichtweg älter als Männer, ihnen bleibt mehr Zeit für gesellschaftliches Engagement. Während Männer mehr für Wissenschaft, Forschung und Bildung stifteten, hätten Frauen eher Soziales im Blick, sagt Generalsekretär Fleisch.
Beate Westphal interessiert sich dagegen eher für Finanzen. 2010 gründete sie in Berlin die April-Stiftung zur Förderung des unternehmerischen Denkens. Klingt kompliziert, das Konzept ist simpel: Bei selbst gebackenen Keksen vermittelt die Wirtschaftspädagogin in ihrem Talentcafé Wissen zur finanziellen Fitness und Unternehmensgründung. Was will ich erreichen? Wie muss ich mich versichern? Finanzielle Allgemeinbildung nennt sich das laut Stiftungssatzung. „Die Menschen, die herkommen, um sich beraten zu lassen, wissen, da sitzen Leute, die ihnen nichts andrehen wollen“, erklärt Westphal ihr Konzept. Der Stiftungsname ist daher Programm. „Der April ist ehrlich, macht keinem was vor.“
Stiftungen, wie die Beate Westphals, skizzieren einen weiteren Trend im deutschen Stiftungswesen. Immer mehr von ihnen wenden sich aktuellen Themen zu, die das Image der Stiftungen von elitär und angestaubt zu frisch und tatkräftig wandeln. Das aktuellste: Integration. „Viele Stiftungen greifen in ihrer Arbeit das Thema Integration auf, im Sinne gesellschaftlicher Teilhabe“, so Hans Fleisch. Die Stiftungen verstünden sich vermehrt als Brückenbauer und Vermittler, sowohl zwischen gesellschaftlichen und sozialen Schnittstellen, sei es im Sportverein, beim Nachhilfeunterricht oder bei der Vermittlung von Projektträgern im Allgemeinen.
Sorge um ausreichende Mittel
Gerade operativ tätige Stiftungen müssten permanent dafür sorgen, dass sie für ihre Projekte ausreichend Mittel erhalten, sagt Jürgen Schulz von der Björn-Schulz-Stiftung in Berlin. Er und seine Frau bauten die Stiftung auf, nachdem ihr Sohn Björn mit sieben Jahren an Leukämie gestorben war. Sie wollten gemeinsam mit anderen betroffenen Eltern einen Beitrag zur Verbesserung der Behandlung und Nachsorge für schwer kranke Kinder leisten.
Doch gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Die Welle an Altruismus und Großzügigkeit, die ungebrochen über Deutschland schwappt, beschert der Stiftungsbranche auch Probleme. Denn bei vielen Stiftungen versickert das Geld regelrecht im Boden, weil sie unprofessionell oder ineffizient arbeiteten. Das droht dem Ruf des ganzen Sektors zu schaden. Auch was die Transparenz der Aufwendungen angeht, gibt es noch viel Platz nach oben.
Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) warnt auf seiner Website vor „nicht förderungswürdigen“ Organisationen, darunter auch die bekannte Sir-Peter-Ustinov-Stiftung. Der Anteil der Werbe- und Verwaltungsausgaben an den Gesamtausgaben sei im Geschäftsjahr 2010 nach DZI-Maßstab unvertretbar hoch gewesen. Eine zuverlässige Einschätzung aller Stiftungen ist für das DZI jedoch kaum möglich.
Viele Organisationen publizieren schlichtweg nicht die notwendigen Informationen über ihr Spendenaufkommen oder die -ausgaben. Auflagen gibt es für Stiftungen nur wenige, und ganz anders als etwa in den USA auch keine Aufsicht.
Nur 15 Prozent der deutschen Stiftungen veröffentlichen einen Jahresbericht, und auch dieser ist oft genug wenig aussagekräftig. Wie großzügig Stiftungsvorstände ihr Spesenkonto belasten, oder wie viel Geld nach Abzug der Verwaltungskosten überhaupt noch übrig bleibt für gute Zwecke, kontrolliert niemand.
Das fällt dann im öffentlichen Gesamtbild auch auf Stiftungen zurück, die besonders wirtschaftlich arbeiten. Das DZI zeichnet aus diesem Grund Stiftungen mit einem Spendensiegel aus. Es belegt, dass die Organisation mit den ihr anvertrauten Geldern sorgfältig und verantwortungsvoll umgeht und diese auch stiftungsgebundenen Zwecken zuführt.
Das Stiftungswesen transparenter zu machen ist daher eines der erklärten Ziele von Verbänden und Organisationen. Nur so können Stiftungen nach Ansicht von Robert Benjamin Biskop auch in Zukunft erfolgreich arbeiten. „Stiftungen stehen im Dienst der Idee der Dauerhaftigkeit. Dabei geht es aber auch immer um Erneuerung, Weiterentwicklung und Dialog“, sagt er. „Nur wenn klar ist, wofür Stiftungen etwas tun, können sie es auch erfolgreich tun.“