Rederecht

"Maulkorb-Erlass" für Bundestag soll entschärft werden

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Die geplante Einschränkung des Rederechts im Bundestag für Fraktions-Abweichler wird nach der heftigen Kritik noch einmal überdacht.

Nach massiven Protesten wollen die Fraktionen den Streit um die Neuregelung des Rederechts von Bundestagsabgeordneten entschärfen. „Es gibt jetzt offenbar einen ersten Entwurf. Das wird im Ältestenrat von den Fraktionen in den nächsten Wochen weiter besprochen werden“, kündigte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier (CDU), am Montag in Berlin an. „Und ich gehe davon aus, dass wir eine einvernehmliche Regelung finden, die dem Rederecht des einzelnen Abgeordneten ein hohes Gewicht beimisst und die Funktionsfähigkeit des Parlamentes ermöglicht“, fügte er hinzu.

Aus der SPD verlautete, bisherige Pläne des Geschäftsordnungsausschusses, die auf eine Einschränkung des Rederechts für Abweichler in den eigenen Reihen hinauslaufen, sollten in dieser Form nicht weiterverfolgt werden.

Auch die FDP-Fraktion hat Kompromissbereitschaft signalisiert. Seine Fraktion werde „selbstverständlich auf die Kritiker zugehen, mit ihnen das Gespräch suchen und versuchen, eine von einer breiten Zustimmung getragene Lösung zu finden“, erklärte FDP-Parlamentsgeschäftsführer Jörg van Essen am Montag in Berlin.

Zugleich betonte er, dass die vorgeschlagenen Regelungen keine Beschneidung der Rederechte von Fraktionsangehörigen mit abweichender Meinung beabsichtigten, sondern deren Stärkung. Ein „Maulkorb für 'Abweichler'“ sei weder geplant noch akzeptabel.

Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ sollen künftig nur die Parlamentarier im Plenum das Wort erhalten, die von den Fraktionen dazu bestimmt wurden. Andere Abgeordnete dürfte der Bundestagspräsident dann nur noch ausnahmsweise und maximal drei Minuten lang reden lassen – und auch dies nur nach Rücksprache mit den Fraktionen. Darüber sollte ursprünglich am 26. April im Bundestag abgestimmt werden.

Altmaier sagte, der Geschäftsordnungsausschuss sei im September 2011 vom Ältestenrat durch Beschluss aller Fraktionen gebeten worden, sich mit der Frage einer gerechten Verteilung von Redezeiten zu beschäftigen. Für das Rederecht von Abgeordneten, die von ihren Fraktionen nicht berücksichtigt werden, gebe es bisher keinerlei Regelungen.

In dem Streit drohen mehrere Abgeordnete mit einer Verfassungsklage. „Ich werde mir nicht das Recht nehmen lassen, das zu sagen, was mein Gewissen gebietet, und wenn hier eingegriffen wird, dann muss man als freigewählter Abgeordneter dagegen vorgehen“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch am Montag im Deutschlandfunk. Notfalls bedeute das eine Verfassungsklage.

Auch der Grünen-Parlamentarier Hans-Christian Ströbele kann sich den Gang zum Bundesverfassungsgericht vorstellen. „Ich bin da guter Hoffnung, dass – wenn nicht die Fraktionsführungen von FDP, CDU, CSU und SPD jetzt zur Vernunft kommen – dass dann das Bundesverfassungsgericht hilft“, sagte Ströbele im ZDF-„Morgenmagazin“.

Union, SPD und FDP wollen das Rederecht im Bundestag neu regeln. Unklar ist allerdings, ob die Rechte einzelner Abgeordneten durch die geplante Änderung der Geschäftsordnung überhaupt beschnitten würde. Trotzdem hatten die Berichte am Wochenende für helle Empörung bei vielen Abgeordneten gesorgt – auch in Reihen von Koalition und SPD.

„Die Fraktionsgeschäftsführer betrachten das Parlament als Gegenstand ihrer eigenen Inszenierung, bei der sie selbst Intendant sein wollen“, sagte der als „Euro-Rebell“ bekanntgewordene Willsch. „Ich habe mich gefragt, was als nächstes kommen soll. Ob als nächstes das Publizierungsverbot oder der Hausarrest kommt.“

( dpa/sei )