Auch zwei Tage vor seiner offiziellen Verabschiedung mit einem Großen Zapfenstreich schaffte es Christian Wulff noch, im Parlament Kopfschütteln auszulösen. Der Altbundespräsident hat nämlich führende Parlamentarier zum Abschiedszeremoniell nicht eingeladen. Am Morgen stellte man etwa im Büro von Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) fest, dass keine Einladung eingetroffen war.
Kauder hatte Wulff lange intern verteidigt und ihn öffentlich bis zuletzt nicht kritisiert. Er wird am Donnerstag nicht dabei sein. Dabei versagt es sich Kauder, die Nicht-Einladung zu kommentieren. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle erklärte hingegen kurz und deutlich: „Ich bin nicht eingeladen – ich geh auch nicht hin.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion Peter Altmaier (CDU), der sich für Wulff bis Weihnachten in diversen Talkshows Anwürfen und teilweise sogar Gelächter ausgesetzt hatte, hat ebenfalls keine Einladung erhalten. Altmaier hatte nach dem Jahreswechsel allerdings die Verteidigung Wulffs eingestellt – was weithin bemerkt worden war.
Andere freilich dürfen dabei sein, wenn Wulff mit militärischen Ehren verabschiedet wird: Peter Hintze etwa. Der einflussreiche CDU-Politiker hatte bis zuletzt zum Bundespräsidenten gestanden und diesen öffentlich verteidigt, als es niemand anderes mehr tun wollte.
Hintze übt als Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und Vorsitzender der nordrhein-westfälischen Landesgruppe in der Unionsfraktion hohe, aber nicht höchste Ämter aus. Kauder nein, Hintze ja? Der Eingeladene hält das für normal: „Es ist lange geübte Staatspraxis, dass ein Bundespräsident zum Zapfenstreich Politiker einlädt, mit denen er sich besonders verbunden fühlt“, sagte Hintze.
Westerwelle legte sich noch nicht fest
Der einzige Unionspolitiker ist er jedoch nicht: Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU) haben Einladungen erhalten und werden am Zapfenstreich teilnehmen. Aus dem Kabinett zugesagt haben außerdem Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), Agrarministerin Ilse Aigner (CSU), Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) und Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP).
Auch Familienministerin Kristina Schröder (CDU) hat ihr Kommen fest eingeplant. Sechs weitere Kabinettsmitglieder lassen sich aus Termingründen entschuldigen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) legte sich noch nicht fest.
Die Opposition hingegen wird – anders als sie geplant hatte – nach dem Einladungs-Eklat nun komplett fehlen. Im Geschäftsführenden Vorstand der SPD-Bundestagsfraktion war am Montag über den Umgang mit dem Zapfenstreich beraten worden. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier machte deutlich, daran nicht teilnehmen zu wollen. Gleiches galt für Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann.
Nach außen hin wurde auf Terminprobleme verwiesen – eine Sprachregelung. Um die Veranstaltung aber nicht zu boykottieren, vereinbarte man am Montagnachmittag, den stellvertretenden Fraktionschef Joachim Poß zu entsenden. Poß wird fraktionsübergreifend geschätzt, er hatte sich in den vergangenen Wochen nicht kritisch zur Causa Wulff geäußert.
Weder bei der SPD noch ihrer Fraktion war eine Einladung eingegangen. Daher werde auch Poß nicht den Zapfenstreich aufsuchen, sagte eine Fraktionssprecherin Morgenpost Online: „Er ist schließlich auch nicht eingeladen.“ Die Fraktionsführungen von Linkspartei und Grünen haben genauso wenig eine Einladung bekommen.
Absage aller vier Altpräsidenten
Steinmeier ließ schließlich die höfliche Zurückhaltung fallen und forderte Wulff öffentlich auf, auf die Zeremonie zu verzichten: Es gebe „keine Chance für eine einigermaßen würdige Veranstaltung“, sagte er der „Rheinischen Post“. Er hob vor allem die Absage aller vier Altbundespräsidenten hervor, wie Morgenpost Online berichtete.
Sogar aus der Koalition gibt es Appelle an Wulff, auf die Zeremonie zu verzichten. So erklärte der FDP-Abgeordnete Erwin Lotter, der einst als erster Koalitionspolitiker den Rücktritt Wulffs gefordert hatte, aus „Respekt vor dem Amt, dem bisherigen Amtsträger, den Soldaten der Bundeswehr und dem Souverän“ solle der Zapfenstreich verschoben werden, bis die Ermittlungen gegen Wulff abgeschlossen seien.
Vier Lieder auf Wulffs Wunschliste
Mehrere Ministerpräsidenten sind zu dem Zapfenstreich ebenfalls nicht hinzugebeten, wie eine „Morgenpost Online“-Umfrage ergab. Auf die Frage, ob er am Donnerstag in den Park des Bellevue komme, meinte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD): „Da ich nicht eingeladen bin, erledigt sich diese Frage.“
Der Ablauf der Zeremonie steht derweil fest. Gleich vier Lieder hat sich Christian Wulff ausgesucht. Der Altbundespräsident hat sich den „Alexandermarsch“ von Andreas Leonhardt gewünscht, es handelt sich um den Divisionsmarsch der Ersten Panzerdivision in Hannover.
Außerdem wird das Stabsmusikkorps der Bundeswehr „Over The Rainbow“ von Harold Arlen, „Da berühren sich Himmel und Erde“ von Christoph Lehmann und die „Ode an die Freude“ von Ludwig van Beethoven spielen. Auf den Zapfenstreich folgt das Gebet „Ich bete an die Macht der Liebe“. Danach wird die Nationalhymne gespielt und gesungen.
An dem Zapfenstreich im Park des Schlosses Bellevue nehmen gut 300 Soldaten der drei Teilstreitkräfte teil. Vor dem Zapfenstreich lädt Bundesratspräsident Horst Seehofer – er nimmt bis zum 18. März auch das Amt des Bundespräsidenten wahr – zu einem Empfang ins Schloss Bellevue. Rund 200 Gäste werden erwartet, dem Vernehmen nach wurden 350 eingeladen. Am Zapfenstreich für Horst Köhler im Juni 2010 hatten rund 400 Gäste teilgenommen.
Debatte über Ehrensold
Auch die Debatte über den Ehrensold Christian Wulffs (199.000 Euro jährlich) und seine sonstigen Privilegien reißt nicht ab. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sagte der „Leipziger Volkszeitung“, zwar gelte für Wulff die Unschuldsvermutung: „Aber ich wage mir nicht vorzustellen, was passiert, wenn es zu einer Verurteilung käme und wir dann einen Großen Zapfenstreich gehabt haben und Ehrensold leisten. Das wäre furchtbar.“
CDU-Generalsekretär Gröhe hingegen warnte davor, „Christian Wulff in einem laufenden Ermittlungsverfahren vorzuverurteilen und ihm das abzusprechen, was einem scheidenden Bundespräsidenten rechtlich und in bewährter Staatspraxis zusteht.“