Kardinal fordert

Wulff soll auf Weihnachtsansprache verzichten

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Der Kölner Kardinal Joachim Meisner rät Bundespräsident Christian Wulff zum Rückzug und dem Eingeständnis, ein "armer Sünder" zu sein.

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat Bundespräsident Christian Wulff den Rücktritt nahegelegt, falls die Vorwürfe gegen ihn zutreffen. Wenn ihn als Kirchenmann solche Anschuldigungen zu Recht treffen würden, „müsste ich meinen Hirtenstab abgeben, dann müsste ich resignieren“, sagte Meisner im WDR-Fernsehen. In diesem Falle müsste er sein Versagen eingestehen und sagen: „Ich bin ein armer Sünder.“ Zugleich betonte der Erzbischof, dass er nicht beurteilen könne, ob die Vorhaltungen gegenüber Wulff zutreffen.

Weiter sagte Meisner, dass er den Bundespräsidenten nicht darum beneide, in dieser Situation die Weihnachtsansprache zu halten. „Ich würde ihm das nicht raten“, sagte der Kardinal. Würde er sich in einer ähnlichen Lage befinden, „dann würde ich sagen: Jetzt vergessen sie mal meine Goldmitra und mein schönes Messgewand. Ich bin ein armer Sünder, habe versagt, hab' mich bestechen lassen – ich weiß nicht, ob das stimmt so, aber ich sage das manchmal so – und aus dieser Situation spreche ich jetzt zu euch: Seid nicht so wie ich.“

Die Weihnachtsansprache sollte am Mittwoch aufgezeichnet werden. Ausgestrahlt wird sie am 25. Dezember. Sie wird in diesem Jahr mit Spannung erwartet. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende in Niedersachsen, Hermann Kues, hofft auf einen Befreiungsschlag. „Ich gehe davon aus, dass Christian Wulff eine kluge Rede halten und die Dinge offen ansprechen wird“, sagte Kues der „Rheinischen Post“. Dies wäre dann „der Befreiungsschlag und das Ende der Debatte“. Die Vorwürfe gegen das Staatsoberhaupt nähmen inzwischen „bizarre Züge“ an, kritisierte Kues.

Wulff steht seit mehreren Tagen in den Schlagzeilen, weil er den Kauf seines Hauses mit einem Privatkredit der Unternehmergattin Edith Geerkens finanziert hat. Kritiker werfen ihm eine zu große Nähe zu Vertretern aus der Wirtschaft vor. Dies mache ihn erpressbar.

Inzwischen hat Wulffs Anwalt Gernot Lehr zugegeben, dass Edith Geerkens Ehemann Egon an der Aushandlung des Kredits persönlich beteiligt war. Eine entsprechende Erklärung hatte Gernot gegenüber der Zeitung "Die Welt" abgegeben. Die Initiative für das Privatdarlehen sei jedoch von Geerkens Frau Edith ausgegangen, hieß es. Bislang hatte sich der Bundespräsidenten stets darauf berufen, dass Edith Geerkens die alleinige Kreditgeberin war.

SPD – "Salamitaktik" erinnere an Guttenberg

Darüber hinaus wiesen Wulffs Anwälte laut „Stern“ auch die Kritik am Bundespräsidenten wegen dessen kostenlosen Urlaubsaufenthalts beim Versicherungsmanager Wolf-Dieter Baumgartl zurück. Sie versicherten, dass er im Umgang mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Hannoveraner Versicherungskonzerns Talanx Dienstliches und Privates „immer klar getrennt“ habe.

Die SPD warf Wulff eine Salamitaktik vor, die an die Affäre um die abgeschriebene Doktorarbeit des CSU-Politikers Karl-Theodor zu Guttenbergs erinnere: „Er gibt immer nur das zu, was man ihm nachweisen kann“, sagte SPD-Innenexperte Sebastian Edathy im Deutschlandfunk. „Erst wird dementiert, dann wird behauptet, es gebe Missverständnisse, dann wird eine Teilentschuldigung vorgenommen.“

Nach Ansicht der niedersächsischen SPD-Fraktion wird bei den Geschäftsbeziehungen des früheren Ministerpräsidenten mit dem Unternehmerpaar Geerkens zudem mit zweierlei Maß gemessen. „Jeder Beamte in Niedersachsen wird sich wundern, dass hier relativ locker und spitzfindig argumentiert wird, während der Anschein bei einem Beamten für ein Disziplinarverfahren reicht.“

Die SPD werde daher notfalls alle parlamentarischen Instrumente zur Aufklärung ausreizen.

Wulff beschäftigt jetzt auch die Justiz

Die Vorwürfe gegen Bundespräsident Christian Wulff beschäftigen nun auch die Justiz. „Die Staatsanwaltschaft hat vier Anzeigen vorliegen, die überprüft werden“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, Jürgen Lendeckel. Die Anzeigen stünden in Zusammenhang mit den Vorwürfen wegen des 500.000-Euro-Privatkredits und mehrerer Reisen, bei denen Wulff in seiner Zeit als Ministerpräsident zu Gast bei befreundeten Unternehmern war. In den Anzeigen geht es der zeitung "Stuttgarter Nachrichten“ zufolge vermutlich um den Vorwurf der Vorteilsannahme. Laut Lendeckel handelt es sich nicht um ein Ermittlungsverfahren, sondern um eine Überprüfung der Anzeigen.

Neue Umfrage – Wulff verliert an Ansehen

Laut einer Forsa-Umfrage hat Wulff derweil bei fast jedem dritten Bürger an Beliebtheit eingebüßt. Laut einer Vorabmeldung des Magazins „Stern“ gaben 31 Prozent der Befragten an, der Bundespräsident habe für sie durch die Kreditaffäre an Ansehen verloren. Für eine große Mehrheit der Deutschen (63 Prozent) habe sich jedoch nichts geändert, bei zwei Prozent der Befragten habe Wulff sogar an Ansehen gewonnen.

Die Umfrage wurde bereits am Donnerstag und Freitag voriger Woche sowie am vergangenen Montag durchgeführt. Nachdem Wulff am Montag eine Liste über kostenlose Privatreisen bei befreundeten Unternehmern vorgelegt hatte, seien die Beliebtheitswerte des Staatsoberhaupts deutlich negativer ausgefallen.

( KNA/dpa/dapd/sei )