Steinewürfe auf der einen, Gummiknüppel und Reizgas auf anderen Seite: Polizisten und Atomkraft-Gegner schenken sich beim Castor-Protest nichts.
Tausende von Atomkraftgegnern haben gegen den Castor-Transport nach Gorleben protestiert. In Dannenberg im Landkreis Lüchow-Dannenberg versammelten sich am Mittag nach Polizeiangaben mehr als 5000 Menschen; die Veranstalter gingen von mehr aus. Der Zug mit den Castor-Behältern legte in Seelze hinter Hannover eine Pause ein. Wieder kam es zu zahlreichen Zusammenstößen.
In Dannenberg liegt die Umladestation, wo die Castoren für die letzten 19 Kilometer auf Lastwagen verladen werden müssen. Die Kundgebung dort richtete sich gegen die laufenden Transporte von hochradioaktiven Atomabfällen aus dem französischen La Hague ins niedersächsisches Zwischenlager Gorleben, aber auch gegen die weitere Erkundung des Gorlebener Salzstocks auf eine Eignung als Endlager.
„Nur durch eine Politik der Manipulation, der Täuschungsmanöver und des Aussperrens der Öffentlichkeit konnte der Atomstandort zu seinen heutigen Dimensionen ausgebaut werden“, kritisierten die Atomkraftgegner in einer gemeinsamen Erklärung. Gorleben wurde Ende der 70er-Jahre als Standort für das einzige Lager für hochradioaktivem Müll der deutschen Kernkraftwerke bestimmt.
Die Polizei sprach am frühen Nachmittag von 5200 Teilnehmern. „Wir gehen von einer weit größeren Zahl aus“, sagte Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atomkraftbewegung "ausgestrahlt". Noch immer strömten Menschen auf das Gelände.
Wie schon am Tag zuvor gab es auch in der Nacht zum Samstag zahlreiche Zusammenstöße zwischen Atomkraftgegnern und der Polizei. Polizeisprecher berichteten von über einem Feldweg gespannten Metallketten: „Hier ging es scheinbar nicht darum, gegen den Castortransport zu protestieren, sondern die Einsatzkräfte gezielt anzugreifen und zu verletzten.“
In Metzingen an der Straßentransportstrecke seien Polizisten von rund 200 Atomkraftgegnern massiv angegriffen und mit Steinen und pyrotechnischen Gegenständen beworfen worden. Die Polizei setzte einen Wasserwerfer ein, mehr als 20 Beamte seien verletzt worden.
Die Atomkraftgegner dagegen kritisierten das Verhalten der Polizei. Die Vorsitzende der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Kerstin Rudek, sprach von einem „hohen Aggressionspotenzial“ der Beamten. Sie bezog sich insbesondere auf einen Einsatz in der Nacht zum Samstag in Metzingen, rund 25 Kilometer von Gorleben entfernt. „Die Polizei war sehr aggressiv“, sagte Rudek. „Die Menschen fühlten sich bedroht.“ Es habe einen Schlagstockeinsatz gegeben sowie einen Hundebiss. 20 Menschen seien verletzt worden.
Auch Journalisten waren von dem Polizeieinsatz mit Gummiknüppeln beim Castor-Transport betroffen. Ein Fotoreporter der Nachrichtenagentur dapd hielt im Bild fest, wie ein Beamter in einem Waldstück bei Pommoissel mit einem erhobenen Gummiknüppel in der Hand einen Fotografen verfolgte und trat. Kurz zuvor hatte der Reporter beobachtet, wie Reizmittel aus einer Sprühdose gegen den Kollegen eingesetzt wurde. Die Polizei betonte, es gebe keine Anweisungen für solche Angriffe.
Auch die Tageszeitung „Taz“ berichtete in ihrem „Castor-Live-Ticker“ von mehreren Übergriffen. Demnach ist bei Tollendorf im Wendland einem Journalisten mit dem Visier eines Polizeihelms ins Gesicht geschlagen worden. Weiter hieß es auf der Onlineseite der Zeitung, dass am Ausgang des Aktivisten-Camps Metzingen die Schutzausrüstung eines „Taz“-Fotografen beschlagnahmt wurde – laut „Taz“ mit der Begründung, es sei schlichtweg nicht erlaubt, Helm, Sichtschutz und Atemmaske zum Schutz vor Tränengas bei sich zu tragen.
Ein Polizeisprecher erklärte am Samstag indes, es gebe keine Anweisung, die Arbeit von Journalisten zu behindern oder gar zu verhindern: „Wir haben ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu den Medien; das wollen wir nicht belasten.“
Mehrere Zwangsstopps
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hatte bereits am Freitag von Behinderung gesprochen. Der Bundesvorsitzende Michael Konken hatte gesagt, Journalisten hätten „einen Informationsauftrag, der insbesondere bei einem so wichtigen Ereignis nicht von der Polizei eingeschränkt werden darf“. Er forderte die Sicherheitskräfte auf, Reportern eine freie Berichterstattung zu ermöglichen.
Polizisten im Wendland hätten zuvor laut DJV weder den offiziellen Presseausweis, noch die Akkreditierung akzeptiert, die von der in Lüneburg angesiedelten Castor-Pressestelle der Polizei ausgegeben werden.
Der Castorzug war am Mittwoch nahe der Wiederaufbereitungsanlage La Hague in Nordfrankreich gestartet. Auf dem Weg bis nach Niedersachsen zwangen Kernkraftgegner den Zug bereits zu etwa einem halben Dutzend kurzer Stopps . Samstagmittag musste der Zug dann hinter Hannover halten, für wie lange, war zunächst unklar.
Der Castor-Transport ist der letzte mit hochradioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente in La Hague in Frankreich. In ganz Deutschland sind während des Transports rund 19.000 Polizisten im Einsatz.
AFP/dpa/smb