Die Liberalen lehnen eine Erklärungspflicht der Bürger ab und wollen Spenden von Lebenden erleichtern. Die Grünen teilen die Bedenken gegen eine Verpflichtung der Bürger.

Das Problem ist bekannt: In Deutschland werden zu wenige Organe gespendet. Rund 12.000 Patienten warten auf eine lebensrettende Leber oder Niere. Doch trotz mehrfacher Anhörungen im Bundestag sind noch keine Gesetzesänderungen in Sicht, die zu einem Anstieg der Spendebereitschaft führen.

Nun hat die FDP ein Positionspapier für eine Gesamtlösung beschlossen – und geht damit auf Distanz zur Union. In dem Papier, das "Morgenpost Online“ vorliegt, wenden sich die Liberalen dagegen, die Bürger zur Erklärung über die Spendebereitschaft zu verpflichten. „Für die sehr sensible und persönliche Erklärung zur Organspende darf es keinen Zwang geben“, schreiben die FDP-Abgeordneten.

"Recht, sich nicht zu entscheiden"

Sie widersprechen damit Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), der gefordert hatte, dass sich jeder Bürger einmal im Leben äußern muss, ob er Organspender werden wolle. Hierfür hat sich auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ausgesprochen, der seiner erkrankten Frau unlängst eine Niere spendete und sich von jener Verpflichtung erhofft, dass die Spendebereitschaft steigt. Doch die FDP lehnt die Erklärungspflicht ab: „Es muss auch das Recht geben, sich nicht zu entscheiden “, sagte Abgeordneter Michael Kauch "Morgenpost Online“.

Erst recht lehnen die Liberalen jene Widerspruchslösung ab, bei der die Zustimmung zur Organspende als erteilt gibt, sofern man nicht ausdrücklich widerspricht. Zu dieser Lösung, die unter anderem vom bayerischen Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) favorisiert wird, heißt es im FDP-Papier, dass die Beweislast „zuungunsten der Bürger“ umgekehrt werde. Das könne „in der Praxis dazu führen, dass Transplantationen gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt werden, wenn das Widerspruchsdokument nicht gefunden wird“.

Kauch bringt ein weiteres Argument vor: In der Medizinethik müsse „der Grundsatz gelten, dass kein Eingriff zulässig ist, dem der Patient nicht ausdrücklich zugestimmt hat“.

Jeder Bürger soll damit konfrontiert werden

Die FDP fordert eine Weiterentwicklung der derzeitigen Zustimmungslösung, nach der die Spendebereitschaft ausdrücklich erklärt werden muss. Um die Bürger auf die Wichtigkeit von Spenden hinzuweisen, sollten sie künftig „mehrmals im Leben mit der Frage der Organspende konfrontiert werden“.

Immer dann, wenn man wegen des Personalausweises oder Führerscheins aufs Amt muss, soll man Broschüren zu Organspende erhalten. „Damit werden mehr Bürger als bisher erreicht und dazu bewegt, sich mit dem Thema zu befassen“, ist zu lesen.

Zudem setzen sich die Liberalen für einen stärkeren und besser vergüteten Einsatz von Transplantationsbeauftragten in Kliniken ein, damit die entnehmbaren Organe identifiziert und vermittelt werden.

Lebendspenden erleichtern

Zustimmung kommt hierfür von den Grünen: „Wir müssen an anderen Punkten als der Widerspruchslösung oder der Erklärungspflicht ansetzen“, sagte die pflegepolitische Sprecherin der Bundestags-Grünen, Elisabeth Scharfenberg, im Gespräch mit Morgenpost Online. „Eine ganz wichtige Schaltstelle“ liege bei den Transplantationsbeauftragten sowie bei verbesserter Aufklärung und bei Gesprächen mit den Angehörigen von Verstorbenen, deren Organe für eine Spende infrage kommen.

Nicht folgen aber wollen die Grünen den Vorschlägen der FDP, Organspenden von Lebenden zu erleichtern. Hier setzt sich die FDP erstens für einen besseren Versicherungsschutz der Spender und zweitens dafür ein, dass die Regel aufgegeben wird, wonach Lebendspenden nur erlaubt sind, wenn keine Organe von Toten vorhanden sind.

„Wenn Menschen zu einer Lebendspende nach gründlicher Abwägung bereit sind, ohne dass irgendeine Gefahr des Organhandels besteht, dann sollte der Staat das akzeptieren und nicht als nachrangig gegenüber der postmortalen Spende ansehen“, sagt der FDP-Politiker Kauch.

Die Grünen fürchten, dass bei einer Lockerung der Regeln für Lebendspenden „sich zumal in Familien moralischer Druck auf den potenziellen Spender aufbaut“. Diese Tür, so Scharfenberg, „sollte man nicht aufmachen“. Die FDP will vor allem die sogenannte Überkreuzspende zwischen zwei Ehepaaren erleichtern.

Die Liberalen wollen ihre Positionen zur Stellung der Transplantationsbeauftragten und zum Versicherungsschutz von Lebendspendern in einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen einbringen. Die Ablehnung der Widerspruchslösung und der Erklärungspflicht will man geltend machen, wenn im Bundestag möglicherweise noch in dieser Legislaturperiode fraktionsübergreifend nach einer Neuregelung gesucht wird.