Berliner SPD

Wowereit kommt vor der Wahl auf Touren

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Joachim Fahrun

Vier Monate vor der Wahl schafft es Klaus Wowereit, sich als Kümmerer zu inszenieren. Der Sozialdemokrat herzt Sportler, hat sich mit seiner Partei versöhnt und führt in Umfragen vor den Grünen.

Die Welle naht, Klaus Wowereit reißt wie die 13.500 anderen Zuschauer der Berliner O2 World die Arme hoch. Dann haut er lächelnd seine Klatschpappe in die Handfläche. Als der Regierende Bürgermeister der Hauptstadt nach dem geschafften Halbfinaleinzug die Kabine der Basketballer von Alba Berlin besucht, gibt er sich gastfreundlich.

"Ich lade Sie auf meinen Rathausbalkon ein, wenn Sie die Meisterschaft holen", sagte Wowereit. Am Montag empfing er dann im Wappensaal des Roten Rathauses die Bundesliga-Aufsteiger von Hertha BSC.

Der Spitzenmann der SPD suchte in den vergangenen Tagen die Nähe der erfolgreichen Berliner Sportmannschaften. Der Glanz der Sieger strahlte auf einen lockeren Sportfan in blauem Pullover, der am 18. September mit seiner SPD zum dritten Mal in Folge eine Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus gewinnen möchte. Dass seine Herausforderin Renate Künast von den Grünen auch bei Hertha und Alba war, fiel fast nicht auf.

Er ist präsent in der Stadt, er kümmert sich

"Mein Balkon", "mein Rathaus", diese Worte benutzt Klaus Wowereit nach mehr als zehn Jahren als Senatschef mit großer Selbstverständlichkeit. Und der 57 Jahre alte Sozialdemokrat hat gute Aussichten, auch bis 2016 den Regierungsauftrag für Berlin zu bekommen. Dann wäre er so lange im Amt wie sein Vorgänger Eberhard Diepgen (CDU).

Bei 29 Prozent sehen die jüngsten Umfragen die Sozialdemokraten in Berlin, das ist fast so viel wie beim Wahlerfolg vor fünf Jahren. Die SPD hat die starke grüne Konkurrenz wieder um drei Punkte hinter sich gelassen. Zu verdanken hat das die Partei vor allem ihrem Zugpferd Klaus Wowereit. Die Sympathiewerte des Regierenden sind besser denn je, er ist präsent in der Stadt, er kümmert sich.

Zuletzt brachte er persönlich ein Sicherheitskonzept für die U-Bahn auf den Weg. Der Instinktpolitiker Wowereit weiß, das Volk will nach einigen Videobildern von Angriffen Taten sehen. Dass er damit nur frühere Kürzungsbeschlüsse seiner rot-roten Koalition bei den Verkehrsbetrieben und der Polizei zum Teil korrigierte, fiel kaum auf. "Wowi räumt auf", titelte eine Boulevardzeitung.

Künast verliert an Boden

Wenn der Regierende Bürgermeister direkt gewählt würde, käme kein Herausforderer gegen den Amtsinhaber an. Vor allem Renate Künast, die im Herbst mit großen Brimborium zusätzlich zum Fraktionsvorsitz der Bundestagsfraktion die Spitzenkandidatur der Öko-Partei übernahm, hat seitdem gegenüber Wowereit deutlich an Boden verloren.

CDU-Landes- und Fraktionschef Frank Henkel hat zwar die Streitigkeiten in der Hauptstadt-Union befriedet, im persönlichen Duell mit dem Sozialdemokraten hat er aber in den Augen der Wähler bisher keine Chance.

Künasts Angriff hat bei Wowereit genau den Motivationsschub ausgelöst, den der nach zehn Jahren Amt gebraucht hat. Lange hatten selbst Senatskollegen den Eindruck, ihr Chef mag nicht mehr so richtig. Zwischendurch kokettierte er mit einem Wechsel auf die Bundesebene.

Er selbst sagt oft, es mache eben nicht mehr so viel Spaß, das zehnte Mal die Filmfestspiele oder die Grüne Woche zu eröffnen. Und seine SPD-Genossen fingen auch an, ihren prominenten Anführer mit allerlei Kritik zu nerven.

So wagte ein Vorstandsmitglied vom linken Flügel sogar, halböffentlich die Frage zu stellen, ob denn eine One-Man-Show mit Klaus Wowereit der richtige Kurs für die SPD sein könnte. Und im vergangenen Herbst musste Wowereit seinen Rücktritt androhen, um dem Landesparteitag eine hauchdünne Mehrheit für den Weiterbau der Stadtautobahn von Neukölln nach Treptow abzutrotzen.

"Wowi" wird wieder geliebt

Jetzt aber, vier Monate vor der Wahl, hat die Berliner SPD ihren "Wowi" wieder lieb. Unter rhythmischem Klatschen trat am Wochenende ein überaus gut gelaunter Klaus Wowereit ans Rednerpult. "Ach, ist das schön", rief der Hauptdarsteller, als ihn fast 1000 Delegierte und Gäste des Nominierungsparteitages in einer alten Eisenbahnhalle in Kreuzberg feierten.

"Einfach wird es mit mir auch nicht in den nächsten fünf Jahren", sagte Wowereit. Aber er weiß, dass es zu ihm keine Alternative gibt: "Die SPD hat zwar auch andere", flachste er, "aber nicht so'n Guten wie mich."

Wowereit inszeniert sich jetzt als Mann der Wirtschaft, obwohl er sich lange nicht um die Berliner Unternehmen jenseits von Film und Kreativwirtschaft gekümmert hat. Nach dem Vorbild von Olaf Scholz in Hamburg will die Berliner SPD wirtschaftlichen Aufschwung und sozialen Ausgleich zu zentralen Themen machen.

Nur wenn die Wirtschaft floriert, kann Wowereit sein zentrales Anliegen umsetzen: "Wir brauchen den Aufstiegswillen", sagt Wowereit und setzt sich damit ab von seinem früheren Finanzsenator Thilo Sarrazin und dessen Thesen zur Integrationspolitik. Den Ärger um das gescheiterte Parteiausschlussverfahren hat Wowereit schweigend vorbeiziehen lassen, geschadet hat ihm das bisher nicht.

Fortsetzung von Rot-Rot scheint ausgeschlossen.

Mit Bekenntnissen zu mehr Touristen, zum neuen Flughafen, der Stadtautobahn und einer pragmatischen Politik hat Wowereit seine Bündnisoptionen vermehrt. Die Berliner CDU macht sich Hoffnungen, nach zehn Jahren in der Opposition von den Sozialdemokraten zum Partner erwählt zu werden.

Dass sich Wowereit neu orientieren muss, ist nach den Umfragen sehr wahrscheinlich. Eine Fortsetzung von Rot-Rot scheint derzeit ausgeschlossen. Die Linke, mit der Wowereit seit 2002 regiert und die er 2006 freiwillig einer Koalition mit den Grünen vorgezogen hatte, schwächelt im Sog der kriselnden Bundespartei auch in Berlin. Zudem gerieten sich die Partner zuletzt häufig in die Haare.

So bleibt Wowereit eine Koalition mit den Grünen, obwohl das persönliche Verhältnis zwischen vielen Sozialdemokraten und Ökopolitikern nach unzähligen Schlachten zwischen Regierung und Opposition zerrüttet ist und viele SPD-Funktionsträger die Zusammenarbeit mit unberechenbaren Grünen fürchten.

Grün-schwarzes Gespenst

Für die mehrheitlich linken Berliner Genossen wäre der Schwenk von der Linken bis zur Union jedoch kaum nachvollziehbar. Andererseits müsste Wowereit selbstbewussten Grünen, die derzeit bei 26 Prozent liegen, in Koalitionsgesprächen sicherlich weiter entgegenkommen als einer schwächeren CDU.

Aber auch Grüne und CDU haben die Chance, gemeinsam eine Mehrheit zustande zu bringen und Wowereit aus dem Rathaus zu drängen, auch wenn er am 18. September gewinnen sollte. Die SPD-Wahlkampfstrategen malen schon ausgiebig das grün-schwarze Gespenst an die Wand. Vor allem im Ostteil der Stadt verfängt das offenbar.

Um die vielen als zu liberal geltenden Grünen und eine ungeliebte Bürgermeisterin Künast zu verhindern, schwenken viele Linken-Stammwähler zur SPD.