Obwohl die Hartz-Reform seit Wochen auf Eis liegt, bekommen tausende Langzeitarbeitslose schon jetzt den um fünf Euro erhöhten Regelsatz. Das ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur dapd in den Bundesländern. In Norddeutschland erhalten inzwischen mehr als 30.000 Menschen die höhere Leistung von 364 Euro monatlich, obwohl bislang die gesetzliche Grundlage fehlt. Dies ist nur in Ausnahmen möglich. Die große Masse der Hartz-IV-Empfänger muss weiter auf eine Erhöhung warten.
In Bremen bekommen mehrere tausend Langzeitarbeitslose bereits jetzt den aufgestockten Regelsatz. Das Plus geht aber nur an die dauerhaft Erwerbsunfähigen, die früher Sozialhilfeempfänger gewesen sind, sagte ein Sprecher des Sozialressorts. Die zusätzlichen fünf Euro werden seit Januar an 12.500 Hilfsbedürftige in Bremen und 4.900 in Bremerhaven ausgezahlt.
Die übrigen Hartz-IV-Empfänger, die ihr Geld nicht direkt von der Kommune, sondern vom Jobcenter der Arbeitsagentur erhalten, bekommen das zusätzliche Geld nicht.
Die „Ostseezeitung“ berichtete vom Vorpreschen der Landkreise Ostvorpommern und Nordfriesland. In beiden Kreisen werden die Bescheide unter Vorbehalt ausgegeben. Die Landrätin Ostvorpommerns, Barbara Syrbe (Linke) sagte der Zeitung, es sei wichtig, dass die Menschen das Geld pünktlich erhielten. Wer so wenig Geld zum Leben habe, sei auf jeden einzelnen Euro angewiesen. Der Zeitung zufolge werden die zusätzlichen fünf Euro seit Januar im Kreis Ostvorpommern an etwa 9.000 Hilfsbedürftige ausgezahlt.
Ein derartig eigenmächtiges Vorgehen ist rechtlich offenbar nur sogenannten Optionskommunen möglich. Darauf wies die stellvertretende Geschäftsführerin der Städte- und Gemeindebundes Brandenburg, Monika Gordes, hin. Diese Optionskommunen hätten die Auszahlung der Regelsätze auf eigenen Wunsch von der Bundesagentur für Arbeit übernommen.
Dennoch ist die Rechtslage möglicherweise nicht eindeutig. Gordes vertrat die Ansicht, die eigenmächtige Anhebung sei rechtswidrig. Von einer „rechtlich heiklen Angelegenheit“ sprach auch der Geschäftsführer des Landkreistages im Saarland, Martin Luckas. Im Saarland gibt es demnach keine vorab Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes.
Rheinland-Pfalz bekam kein grünes Licht aus Berlin
Eine gesetzliche Grundlage für eine Anhebung auf 364 Euro im Monat – wie von der Bundesregierung vorgeschlagen – gibt es noch nicht. Koalition und Opposition ringen seit Monaten um Kompromisse im Streit um die Reform. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Neuberechnung der Sätze zum 1. Januar 2011 gefordert.
Das SPD-geführte Rheinland-Pfalz hat im vergangenen Jahr den Versuch unternommen, von der Bundesregierung grünes Licht für die Auszahlung von 364 statt 359 Euro im Monat an einen berechtigten Erwachsenen zu bekommen, wie eine Sprecherin des Sozialministeriums berichtete. Diesem Anliegen sei aber eine Absage erteilt worden.
Der Kreis Nordfriesland in Schleswig-Holstein zahlt rund 6.900 Hartz-IV-Empfängern bereits seit Anfang des Jahres fünf Euro mehr aus. Ein Sprecher des Kreises sagte auf Anfrage, dies komme letztlich billiger, weil mögliche Widerspruchsverfahren vermieden würden. In Nordfriesland gehe man davon aus, dass es keinesfalls eine Erhöhung um weniger als fünf Euro geben werde. Zudem sei die vorzeitige Auszahlung bürgerfreundlicher.
Laut Bundessozialministerium ist eine vorläufige Auszahlung der zusätzlichen fünf Euro nicht möglich, solange keine gesetzliche Grundlage da ist. Einziger Trost für die wartenden Hartz-IV-Empfänger: Das Plus wird rückwirkend zum 1. Januar ausgezahlt – egal wann es beschlossen ist und wie groß es am Ende ausfällt.