Sie gehört zu den aussichtsreichsten Kandidaten in der Brandenburger SPD für die Bundestagswahl am 22. September: Fünf Jahre lang war Tina Fischer Abgeordnete in Potsdam, seit 2009 ist sie Staatssekretärin in der rot-roten Landesregierung und leitet die Landesvertretung beim Bund in Berlin. Auf dem Stimmzettel in ihrem Wahlkreis firmiert die 42-jährige Politikerin offiziell als Rechtsanwältin.
Doch nun sind Zweifel aufgetaucht, ob sie diesen Titel wirklich tragen darf. Nach Recherchen der Berliner Morgenpost ist Tina Fischer derzeit nirgendwo in Deutschland als Rechtsanwältin zugelassen. Die Politikerin, die sich selbst im Internet als „Bürger-Anwältin“ anpreist, behauptete auf Nachfrage der Morgenpost, bei der Anwaltskammer in Berlin gemeldet zu sein. Doch dort wird dies bestritten: „In Berlin ist zur Zeit eine Tina Fischer nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen“, erklärte ein Vertreter der Anwaltskammer schriftlich gegenüber dieser Zeitung. Fischer werde im Berliner Anwaltsverzeichnis nicht geführt. Das Problem: Auch im bundesweiten Anwaltsverzeichnis gibt es keine Anwältin Tina Fischer.
Fischer gibt an, ihre Zulassung ruhe
Die Politikerin begründet das damit, dass ihre Zulassung ruhe – „und zwar seit dem 6. November 2009 bis 31. Oktober 2014“. Als Staatssekretärin und damit politische Beamtin dürfe sie ihren Beruf nicht aktiv ausüben. Doch auch in diesem Fall müsste sie laut Anwaltskammer zwingend in dem Verzeichnis aufgeführt sein, nur eben mit dem Zusatz, dass ihre Zulassung ruht. So wie Volkmar Schöneburg (Linke) bei der Anwaltskammer Brandenburg. Dessen Rechtsanwaltszulassung ruht, seit er 2009 zum Justizminister des Landes Brandenburg berufen wurde.
Das Gleiche gilt für den neuen Innenminister Ralf Holzschuher. Er war bis zu seiner Ernennung Ende August Fraktionschef der SPD im Landtag und war dennoch nebenberuflich als Anwalt tätig. Der CDU-Fraktionschef im Landtag, Dieter Dombrowski, forderte Fischer und die SPD auf, die Ungereimtheiten aufzuklären: „Der Wahlbürger muss sich darauf verlassen können, dass der angegebene Beruf eines Kandidaten auch den Tatsachen entspricht.“
Ein „Versehen“ der Kammer
Fischer bleibt dabei, dass sie Anwältin ist, und spricht von einem „Versehen“ der Kammer. Die Kammer schließt das aus. Welche Konsequenzen eine falsche Angabe auf dem Wahlzettel hat, ist offen. Fest steht: Wer unbefugt Berufsbezeichnungen wie Arzt, Rechtsanwalt oder Steuerberater führt, kann laut Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden. Einer älteren Urkunde zufolge war Tina Fischer nach dem Studium ab dem 14. Juli 2000 in Berlin als Rechtsanwältin zugelassen – wie lange, ist unklar.
Zur Bundestagswahl tritt sie im Wahlkreis 62 an. Die SPD hat ihn mit Peter Danckert immer gewonnen. Auch seiner Nachfolgerin werden deshalb Chancen eingeräumt. Der Wahlkreis liegt in Dahme-Spreewald zwischen dem südlichen Stadtrand von Berlin und dem Spreewald.
In der SPD legte Tina Fischer eine steile Karriere hin: Geboren in München und aufgewachsen in Lübeck, zog sie in den 90er-Jahren nach Brandenburg. 2001 trat sie in die SPD ein. 2004 wurde sie direkt in den Landtag gewählt. Von 2005 bis 2007 leitete sie einen Sonderausschusses im Landtag. Ab 2007 war sie Wirtschaftsexpertin der SPD-Fraktion. Mit ihrer Berufung zur Staatssekretärin gab sie das Landtagsmandat zurück. Fischer hatte in Regensburg Jura studiert, war 1996 als Rechtsreferendarin nach Frankfurt (Oder) gegangen. Am 18. November 1998 legte sie eigenen Angaben zufolge das Zweite Staatsexamen ab, danach war sie Mitarbeiterin von Peter Danckert.

Foto: Bundestagswahl