Berlin. Ex-Senator Thomas Flierl (Linke) beriet den Bezirk Mitte für 70 Euro netto pro Stunde. Ausgeschrieben wurde die Stelle nicht.

Ein Job, den der ehemalige Kultursenator Thomas Flierl (Linke) bereits beendet hat, verursacht plötzlich Aufsehen. Flierl beriet das Bezirksamt Mitte – für 70 Euro netto pro Stunde. Für Wirbel sorgt vor allem ein Detail der Stellenvergabe: Der Job wurde vom Bezirk nicht ausgeschrieben. „Auf eine Einholung mehrerer Angebote wurde verzichtet“, teilte Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) als Antwort auf eine schriftliche Anfrage des Bezirksverordneten Taylan Kurt (Grüne) mit. „Die Eignungsprüfung ergab, dass aus fachlich-stadtplanerischer Sicht für die Leistung nur Herr Flierl infrage kommt.“ Getroffen hat die Entscheidung der Fachbereich Stadtplanung.

Flierl kümmerte sich um „Themenbahnhöfe“

Zu den Leistungen, die der ehemalige Kultursenator demnach in einzigartiger Weise erbringen konnte, zählen laut Gothes Antwort unter anderem: Die Vorbereitung und Durchführung regelmäßiger Steuerungsrunden, die Projektvorbereitung und -entwicklung oder die Überprüfung der Denkmalverträglichkeit von Maßnahmen. Ob Flierl diese Leistungen erbracht hat, überprüfte ebenfalls der Fachbereich Stadtplanung.

Der Grünen-Bezirksverordnete Kurt kann das Vorgehen Gothes nicht nachvollziehen. „Es bleibt völlig unklar, warum nur Herr Flierl für diesen Posten infrage kommt, bei zahlreichen hoch qualifizierten Stadtplanern in Berlin.“ Ebenso unklar sei, wie der Fachbereich Stadtplanung, der Flierls Stelle finanziert, zeitgleich neutral dessen Arbeit bewerten könne. Hierdurch entstehe der Eindruck, so Kurt, dass hier ein „reiner Versorgungsposten“ geschaffen wurde.

Von April 2017 bis Ende 2018 kümmerte sich Flierl als Berater in Mitte um die sogenannten Themenbahnhöfe. Der Bezirk möchte damit die an den drei Städtebau-Ensembles, den beiden Bauabschnitten der Karl-Marx-Allee sowie dem Hansaviertel, gelegenen U-Bahnhöfe Weberwiese, Schillingstraße und Hansaplatz umgestalten. Gezeigt werden solle, wie sich die Architektur der Bauten über die Mauer hinweg wechselseitig beeinflusst hat. „Die Systemkonkurrenz hat sich dort städtebaulich niedergeschlagen“, sagt Stadtrat Gothe. Das sei weltweit einmalig. Dieser „städtebauliche Schatz“ solle durch das Projekt weiterhin gehoben werden – mit dem Ziel, dass die Ensembles als Unesco-Weltkulturerbe ausgezeichnet werden.

Angesprochen auf die Umstände der Leistungsvergabe an Flierl, sagte Gothe, man habe „sorgfältig abgewogen“. „Wenn man eine Direktvergabe macht, muss das gut begründet sein“, so der Stadtrat. In diesem Fall habe seine frühere Arbeit Flierl ausgezeichnet. Die im März 2017 durchgeführte Eignungsprüfung listet mehrere Punkte auf, wieso Flierl als einziger Kandidat infrage kam: So sei Flierl Mitinitiator des ersten Welterbe-Antrages gewesen und habe ihn gemeinsam mit Landesdenkmalamtsleiter Jörg Haspel ausgearbeitet. Dadurch verfüge Flierl bereits über Kontakte und Erfahrungen mit den Fachgremien. Seit Jahren gibt es eine Initiative, den ersten und zweiten Bauabschnitt der Karl-Marx-Allee sowie das für die Internationale Bauausstellung 1957 in Westberlin entstandene Hansaviertel als Unesco-Weltkulturerbe auszeichnen zu lassen. „Thomas Flierl war maßgeblich am Welterbeantrag beteiligt“, sagte Gothe.

Tatsächlich unterstützte Flierl die Idee von Beginn an. Zudem ist er Mitherausgeber eines 2017 veröffentlichten Buches, mit dem die Forderung nach Aufnahme auf die Kandidatenliste unterstrichen werden sollte, nachdem der erste Versuch scheiterte.

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