USA-Reise

Donald Trump gibt Angela Merkel zur Begrüßung Küsschen

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Kerstin Münstermann

Es ist ein Arbeitsbesuch, eine 22-Stunden-Kurzvisite. Bundeskanzlerin Merkel hat bei ihrer Kurzvisite dennoch viele Probleme im Gepäck.

Washington.  Vor dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel in Washington wurde viel über Berührungen zwischen Staatenlenkern philosophiert. Waren die viele Handshakes, die Küsschen, die Schulter-Klatscher zwischen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und US-Präsident Donald Trump in dieser Woche Gesten der Zuneigung oder der Machtdemonstrationen?

Nach Einschätzung Merkels trifft Letzteres zu. Der US-Präsident empfing Merkel freundlich und zwei Küssen auf die Wangen, Merkel lächelte. Vor Pressevertretern im Oval Office lobte Trump Merkel als eine „außergewöhnliche Frau“.

Die CDU-Chefin hat selbst einige Erinnerungen an merkwürdige Gesten. Als sich ihr 2006 auf einem G8-Gipfel der damalige US-Präsident George W. Bush 2006 von hinten näherte und sie kräftig an die Schultern packte, schreckte sie heftig zusammen. Die Szene wurde im Anschluss kontrovers als „Grapsch-Gate“ diskutiert.

Merkel und Macron werden nicht gleich behandelt

Ebenso unvergesslich ist die Szene, als die deutsche Regierungschefin im März 2017 mit dem neuen Präsidenten vor dem Kamin im Oval Office saß, und Trump den obligatorischen Handschlag vor den Kameras verweigerte. Das Bild des nach starr nach vorn blickenden US-Präsidenten, der die deutsche Regierungschefin an seiner Seite quasi ignoriert, begleitet Merkel bis heute.

Zufall oder nicht, es fügte sich so, dass mit der Kanzlerin und Frankreichs Präsident die wichtigsten europäischen Staatenlenker in derselben Woche die USA bereisten. Und so lernt man in diesen Tagen diplomatischer Stelldicheins auch so einiges über das Protokoll zwischenstaatlicher Beziehungen.

Vor allem über den Unterschied zwischen einem offiziellen Staatsempfang und einem Arbeitsbesuch. Bei einem Staatsbesuch gibt es ein festliches Bankett, einen Besuch an staatlichen Wohlfühlorten, eine Militärparade. Macron kam in diesen Genuss drei Tage lang, hielt auch noch eine Rede vor dem Kongress. Erreicht hat er bei Trump, der Unberechenbarkeit zu seinem Regierungsstil gemacht hat, nichts.

Merkel telefonierte lange mit Macron

Nun ist es an Merkel. Ihr Arbeitsbesuch fällt deutlich nüchterner aus: Ein relativ kurzes Gespräch Unter-Vier Augen mit dem US-Präsidenten, einen Eintrag ins Gästebuch und immerhin ein Mittagessen im Cabinet Room des Weißen Hauses. Es folgt eine halbstündige Pressekonferenz im East Room, dann ein Empfang in der Residenz des deutschen Botschafters. So ist der Ablauf von Merkels 22-stündiger Kurzvisite in der Hauptstadt der USA.

Bevor Merkel am Donnerstagabend gen Washington abflog, telefonierte sie fast eine Stunde mit Macron. Gab es Hinweise für den Umgang mit dem Mysterium Trump? Merkels Strategie war jedenfalls, mit griffigen Beispielen für ihre Position zu werben. Pragmatisch, ein wenig schmeichelnd vielleicht. Beobachtungen von Trump lassen den Schluss zu, dass er darauf am meisten anspringt.

So wirklich schlau ist die 63-jährige Kanzlerin aus Trump auch nach mehreren Treffen, etwa beim G20-Gipfel in Hamburg, bislang nicht geworden. Auch Arbeitskontakte sind schwierig, „Trump wechselt sein Umfeld schneller aus, als man die Namen gelernt hat“, scherzte ein deutsches Delegationsmitglied.

Hauptproblem: die drohenden Strafzölle

Und es knatscht gewaltig zwischen den Europäern und den USA. Besonders das Thema eines heraufziehenden Handelskrieges tobt. Trump hatte die EU zunächst von seinen Strafzöllen auf Stahl- und Aluminiumprodukte ausgenommen, was Erleichterung hervorrief. Doch bereit am 1. Mai laufen diese Ausnahmen aus.

Merkel wollte das Gewicht des Handelsriesen Deutschland nun noch mal in die Waagschale werfen, um den USA aufzuzeigen, dass man gemeinsam besser fahre. Und deutlich machen, dass man in Brüssel, Berlin und Paris bereit sind, neue Verhandlungen über das gesamte Paket Industriezölle zu beginnen. Die jetzige Regelung stammt immerhin aus dem Jahr 1994.

In Berlin ist man jedoch skeptisch, dass es am kommenden Dienstag eine Verlängerung der Ausnahmen gibt. Die Fragen sind heikel, denn Trump hat einen Punkt. Deutsche Regierungskreise müssen einräumen, dass es nach wie vor einen deutschen Handelsüberschuss von 50 Milliarden Euro mit den USA gibt. Das heißt, Deutschland exportiert deutlich mehr Güter in die Vereinigten Staaten als es einführt.

Verteidigungsausgaben der Nato auch Streitpunkt

Das Thema, das Trump schon seit Jahren besonders umtreibt, nämlich dass es in Europa unfaire Zölle auf Pkw gebe, wird dagegen auf deutscher Seite zurückgewiesen. Wenn man die Zahlen (Europa: 10 Prozent, USA: 3 Prozent) etwa um den in den Vereinigten Staaten wichtigen Markt von Pick-ups oder SUVs gewichte, sei man schon bei „fast ausgeglichenen“ Zöllen.

Auch das Thema Verteidigungsausgaben ist zwischen den Nato-Partnern nicht abgeräumt. Bei ihrem ersten Besuch musste sich Merkel bereits massive Vorwürfe anhören, weil Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel weit verfehle.

Trump sprach wenig später sogar von „riesigen Summen“, die Deutschland der Nato „schulde“. An der Ausgangslage hat sich seitdem wenig geändert. Im Koalitionsvertrag ist von den 2014 in der Nato vereinbarten zwei Prozent der Wirtschaftsleitung. nicht die Rede. Derzeit liegt Deutschland etwa bei 1,2 Prozent.

Trump hat kein Verständnis für deutsche Syrien-Position

Für Merkel hat außerdem die deutsche Nicht-Teilnahme am amerikanisch- britisch-französischen Militärschlag in Syrien die Sache nicht leichter gemacht. Macron äußerte zwar bei seinem Besuch in Berlin zwar Verständnis für die deutsche Position „aus Verfassungsgründen“. Trump allerdings sieht das anders.

Etwas wie ein deutscher Parlamentsvorbehalt ist ihm fremd. Das gilt auch für die Flüchtlingszahlen. Seit dem Beginn des Bürgerkriegs sind mehr als 700.000 Syrer nach Deutschland geflohen. Die Zahl der in den USA in den vergangenen fünf Monaten aufgenommenen syrischen Flüchtlinge: elf.

Die deutsche Regierungschefin sieht außerdem besorgt auf den 12.Mai. An diesem Tag könnte Trump das Atom-Abkommen mit dem Iran für Null und Nichtig erklären. Ein Abkommen, für das die Europäer jahrelang gearbeitet haben und das trotz einiger Konstruktionsfehler sein Ziel bis heute erreicht: Teheran von der Uran-Anreicherung für den Bombenbau abzuhalten. Kompromisslinien unklar.

Merkel jedenfalls schien sich auf den Showdown zu freuen, der am späteren Freitagabend deutscher Zeit stattfinden sollte. Kaum im Hotel angekommen, machte sie sich mit einer kleinen Delegation erstmal auf, um in einem kleinen, amerikanischen Restaurant im Stadtteil Georgetown essen zu gehen. Kleine Fluchten im schwierig gewordenen deutsch-amerikanischen Arbeitsverhältnis.