Tausende von Bewohnern von Sirte haben am Montag eine Kampfpause genutzt, um aus der Heimatstadt des untergetauchten libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi zu flüchten. Wie der arabische Nachrichtensender Al-Arabija weiter berichtete, bereitete die Truppen des Übergangsrates einen neuen Großangriff auf die Hafenstadt vor, in der sich noch stärkere Einheiten von Gaddafi-Milizen verschanzt haben.
„Wir nutzen die kurze Feuerpause, um die Stadt zu verlassen, da sich auch die humanitäre Lage weiter verschlechtert“, sagte einer der flüchtenden Bewohner dem Sender. Die Menschen verließen Sirte in Autokonvois. Nach Schätzungen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz haben inzwischen knapp 10.000 Bewohner die die Stadt verlassen. Rotkreuz-Helfer hatten schon am Wochenende von einer schwierigen Lage der Zivilbevölkerung in der umkämpften Stadt berichtet.
Die Übergangsregierung erklärte unterdes, ihre Streitkräfte hätten am Freitag einen zweitägigen Waffenstillstand verkündet. Dessen ungeachtet dauerte am Samstag das schwere Raketen- und Granatwerferfeuer an. Kämpfer der provisorischen Führung berichteten, Kampfflugzeuge der Nato würfen Flugblätter über der Stadt ab, auf denen Zivilisten zum Verlassen Sirtes aufgefordert würden. Hunderten Zivilisten gelang die Flucht aus der Stadt.
Trotz des Waffenstillstands seien die Wohngebiete im Stadtzentrum unter schweren Beschuss geraten, berichtete der geflohene Chalid Ahmed. „Der Grund für die Schießerei ist, dass Gaddafis Milizen ihre Artillerie in Wohngebäuden in Stellung gebracht haben. Die Kinder sind entsetzt und schreien immerzu.“ Er habe sich Geld geborgt, damit er sich auf dem Schwarzmarkt mit dem für die Flucht nötigen Benzin eindecken könne. Für 20 Liter würden umgerechnet 450 Dollar verlangt.
Eine flüchtende Frau schilderte, dass die Gaddafi-treuen Kämpfer die Menschen wochenlang vor der Flucht aus Sirte gewarnt hätten. Am Sonntag sei sie dann im Morgengrauen mit Ehemann, drei Kindern, der Mutter und einem Bruder aufgebrochen. „Jeder hat auf uns gefeuert. Warum? Wir sind doch unschuldige Menschen.“
Sirte ist eine von zwei Gaddafi-Hochburgen, die noch nicht unter Kontrolle der Übergangsregierung stehen. Um die Stadt wird seit zwei Wochen erbittert gekämpft.
Der venezolanische Präsident Hugo Chavez bekundete seine Solidarität mit dem gestürzten Staatschef. „Ich bitte Gott, das Leben unseres Bruders Gaddafi zu schützen“, erklärte Chavez in Caracas. Zugleich äußerte Chavez auch seine Verbundenheit mit dem syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad, gegen den seit Monaten demonstriert wird.