Berlin. Mit erheblichen Anreizen versucht Russland Freiwillige für den Ukraine-Krieg zu gewinnen: Mit umgerechnet 3000 Dollar im Monat. Dazu kommen Einstellungsboni sowie Prämien der jeweiligen Regionalregierung.
Das Ziel ist, dass jede der 85 Regionen der russischen Föderation ein Bataillon aufstellt. Ein Verband besteht aus etwa 400 Soldaten. So käme Präsident Wladimir Putin auf zusätzliche 34.000 Kämpfer, die er auch dringend braucht in der Ukraine.
Ukraine-Podcast mit Jan Jessen: So fühlt sich Krieg an
Ukraine-Krieg: Ausbildung der Freiwilligen in nur 30 Tagen
Das Hauptproblem der Russen war nie das Material, auch wenn es oft veraltet war. Sie können nachlegen. Auf dem Gefechtsfeld ist die schiere Masse, die Feuerkraft, ein Vorteil.
Wohl fehlen ihnen die Soldaten. Putin hält daran fest, dass er eine Spezialoperation, aber keinen Krieg führt. Also scheut er vor einer Generalmobilmachung zurück. Das würde die Russen irritieren und nicht zum Narrativ von der Spezialoperation passen.
Deswegen setzte er auf die Anwerbung von Freiwilligen wie von Söldnern. Laut britischem Geheimdienst füllt die Söldnertruppe Wagner Lücken in den russischen Reihen. In einem Tweet berichten die britischen Experten, Putins brutale Söldner hätten in den jüngsten Gefechten eine zentrale Rolle gespielt, aber auch schwere Verluste hinnehmen müssen.
Der Erfolg der Rekrutierungen von Freiwilligen – im Juni angelaufen – könnte eine Teilerklärung dafür sein, warum Verteidigungsminister Sergej Schoigu gerade jetzt eine neue Offensive angekündigt hat, vor allem im Donbass.
Das Problem der Russen war nie das Material, auch wenn es oft veraltet war. Sie können nachlegen. Auf dem Gefechtsfeld ist die schiere Masse, die Feuerkraft, ein Vorteil. Wohl fehlten ihnen jedoch die Soldaten, weil Putin daran festhält, dass er eine Spezialoperation, aber keinen Krieg führt. Vor einer Generalmobilmachung scheute er zurück. Das würde die Russen irritieren und nicht zum Narrativ von der Spezialoperation passen.
Schon der Einsatz von Wehrpflichtigen ist im Land sehr unbeliebt. Deswegen nun die kostspielige Rekrutierung von Freiwilligen:
- Sie können 18 bis 60 Jahre alt sein.
- Müssen keinen Militärdienst geleistet haben.
- Werden nur 30 Tage lang geschult, weshalb die ersten von ihnen bereits in in diesen Tagen in die Ukraine verlegt werden können.
- Können überall eingesetzt werden, in der Infanterie, aber zum Beispiel auch bei Nachrichten und Logistik.
Rekrutierung kostet Putin 102 Millionen Dollar – jeden Monat
Das "Institute for the Study of War" verfolgt die Erfolgsmeldungen aus den russischen Regionen genau. Die amerikanischen Wissenschaftler rechneten aus, dass die 85 Bataillone allein an Gehältern "etwa 102 Millionen Dollar pro Monat" kosten. Der Preis sei "sehr hoch", wenn man bedenke dass die 30-tägige Ausbildung keine kampfbereiten Soldaten hervorbringen werde.
Die Gehälter beginnen im Allgemeinen bei etwa 3.000 US-Dollar pro Monat und Soldat. Die vereinzelt gezahlten Einstellungsprämien scheinen ungefähr einem Monatsgehalt zu entsprechen. Das sind "Preise" auf dem Niveau von Berufssoldaten.
Ukraine-Krieg: Weitreichende Artillerie ist entscheidend
Die Republik Tatarstan richtete dafür eigens einen Telegrammkanal ein. Die Region Kurs kündigte ein freiwilliges logistisches Unterstützungsbataillon an, das sich auf Transport von Treibstoff, Lebensmitteln und Munition konzentrieren soll.
Derart personell gestärkt, verstärken die Russen ihre Stellungen. Der britische Geheimdienst twitterte, dass sie die ukrainische Ankündigung einer Gegenoffensive ernst nehmen. In seiner Videoansprach in der Nacht zum Sonntag bekräftigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, „nach und nach werden wir auch andere Regionen unseres Landes befreien, die zurzeit besetzt sind.“
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Nach wochenlangen Kämpfen hatte Russland die Schlüssel-Region Luhansk im Juni unter Kontrolle gebracht. Danach flauten die Kämpfe ab. Das hatte zwei Gründe. Zum einen gönnte Putin seinen Soldaten eine Erholungspause.
Nasa-Bilder zeigen: Russischer Munitionsnachschub gestört
Zum anderen schlossen die Ukraine in einem wichtigen Punkt zu den Russen militärisch auf: Westliche Mehrfachraketenwerfer wie Himars aus dem USA und die britischen M270-Systeme versetzen sie in die Lage, selbst weiter entfernte russische Munitionsdepots anzugreifen. Das hemmte ihre Artillerie.
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Weitreichende Artillerie ist entscheidend. Um den russischen Munitionsnachschub zu stören, muss der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj bestrebt sein, weit hinter der Front angreifen können.
Dass die jüngsten Erfolgsmeldungen zutreffend sind, konnten die Analytiker vom think tank "Institute for the Study of War" anhand eines Brand-Überwachungssystems der Nasa überprüfen: Anhand der Satellitenbilder konnten die Amerikaner verfolgen, wie die Zahl der (Artillerie-)Feuer in den ersten zwei Juliwochen zurückging.
Inzwischen aber scheint sich Russland auch darauf besser eingestellt zu haben. Entlang der Front im Osten schlagen tagtäglich Raketen ein. Laut dem ukrainischen Generalstab ist Russland außerdem dabei, um die Regionen Slowjansk und Barwinkowe herum Truppen zu sammeln – möglicherweise mit Hilfe der neuen Freiwilligen-Einheiten?
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Ukraine-Krieg: Bundeswehr-General sieht Russland im Vorteil
Der Brigadegeneral a.D. Erich Vad sieht die russische Armee mittlerweile logistisch klar im Vorteil. Dem "Stern" sagte der frühere Bundeswehr-General, zwar würden die ukrainischen Streitkräfte mit westlichen Waffen wie Panzer- und Flugabwehrraketen „tapfer“ kämpfen. Indes habe Russland die „Luftherrschaft im gesamten Raum“ und vor allem die „Eskalationsdominanz“. Es könne beliebig viele Soldaten, Kampfpanzer, Schützenpanzer, Flugzeuge nachschieben.
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