Berlin. Früher war er für die harte Tour. Corona-Maßnahmen konnten Markus Söder (CSU) nicht streng genug sein. Dann kam Omikron – und hat alles verändert. Auch den bayrischen Ministerpräsidenten.
Anscheinend plant der CSU-Politiker einen Kurswechsel. Deutlich wird das wohl schon am Montag auf der Ministerpräsidentenkonferenz.
Söder will nicht länger nur auf die Virologen hören
"Wir brauchen einen Omikron-Check für das Corona-Management n Deutschland", forderte CSU-Generalsekretär Markus Blume in der "Welt". Das Bund-Länder-Treffen könne "ein wichtiger Meilenstein sein".
Die Stimmung hat sich gedreht. Die CSU hat eine Hundeschnauze dafür. Obwohl die Inzidenzen auf Rekordhöhen steigen, sinkt das Interesse. Die Rufe nach Lockerungen mehren sich.
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Söders Partei verliert in der Wählergunst
Söders bisher harte Linie zahlt nicht länger aus. Im "Bayerntrend" von Infratest dimap ist die CSU in der Wählergunst gesunken, im Vergleich zu Januar 2021 um zwölf Punkte auf 36 Prozent.
Söders Koalitionspartner, die Freien Wähler, bedienen diese Stimmung bereits seit vielen Monaten. Die nächste Bayern-Wahl ist zwar erst im Herbst 2023, aber die CSU beginnt sich schon mal zu drehen.
Die Stilisierung eines schnöden Rückzugs
Eine Position aufzugeben, ohne das Gesicht zu verlieren, ist eine Kunst. Sie erfordert Zeit, Geduld, Geschick, vor allem: ein Narrativ. Söder wäre nicht Söder, wenn er seinen Populismus nicht überhöhen würde: "Freiheit war früher ein politisch eher links besetzter Begriff. Heute ist er verstärkt bürgerlich geprägt".
Über den Jahreswechsel habe er "lange nachgedacht", erzählte Söder im "Münchner Merkur". Er habe viele Gespräche geführt, privat und politisch. Und aus den zwei Corona-Jahren "tiefe Lehren gezogen.“ Ein Mann kommt ins Grübeln – eine schöne Erzählung.
Söders Credo: Öffnen – Omikron macht's möglich
Früher zählte er sich zum „Team Vorsicht“; und das "Team Augenmaß" hatte einen schweren Stand bei ihm. Jetzt beteuert Söder, "wir wollen Team Vorsicht und Team Augenmaß zusammenbringen". Er wechselt die Seiten, es soll ihm aber als Versöhnung ausgelegt werden.
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Einen "breiteren Ansatz" will Söder. Es werde nicht ausreichen, "die Lage nur medizinisch und virologisch zu betrachten". Im Klartext: Er will nicht länger allein den Virologen folgen.
Er gelobt, stärker auf die "gesellschaftliche und soziale Komponente" zu achten. Die Gesellschaft sei geteilt: Eine kleine Gruppe Querdenker, eine große Gruppe vorsichtiger Menschen, "aber eben auch einige, die zwar alle Regeln mitgemacht haben, aber erschöpft und müde sind und am Sinn mancher Vorschriften zu zweifeln beginnen.“
Der neue Söder: "Nicht allein mit Zusperren reagieren"
Sie fragen sich etwa, warum Genesene plötzlich ihren Status bereits nach drei Monaten verlieren sollen. "Eine so zentrale Feststellung bedarf mehr Kommunikation durch das Robert Koch-Institut als eine bloße Änderung auf der Webseite", kritisiert CSU-"General" Blume, "hier ist Karl Lauterbach gefordert".
Wenn sich die Lage in den Krankenhäusern nicht verschlechtern sollte, will Söder mehr Zuschauer bei Kultur- und Sportevents zulassen. "Wir können hier nicht allein mit Zusperren reagieren", wiederholte er bei "Maybrit Illner" sein neues Credo.
Spanien als Vorbild? "Noch nicht", sagt er
Man müsse erkennen, "dass die Gesellschaft mehr von uns erwartet, als jeden Tag nur neue Verordnungen zu erlassen. Wir müssen künftig genauer und verständlicher begründen, was wir tun.“ Es sind ganz neue sanfte Töne. Arg überrascht dürften seine Amtskollegen am Montag nicht sein. Söder ist seit Langem für seine vielen Häutungen bekannt.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er sich Schweden, den britischen Premier Boris Johnson oder – besser noch – Spanien zum Vorbild nimmt, wo Omikron demnächst wie eine normale Grippe bewertet werden soll. "Noch nicht", antwortet Söder auf die Frage nach dem Vorbild, "denn Spanien hat eine deutlich höhere Impfquote."
Deswegen hält er auch an der Impfpflicht fest. Söder will mit ihr "raus aus dieser Coronaendlosschleife". Nichts wie raus.
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