Berlin. Es ist ein Rekord, schon wieder. Wenn nun der neue Bundestag zusammentritt, müssen die Hausmeister des Parlaments 735 Sitze zu den Bänken im Reichstagsgebäude schrauben – so viele wie noch nie. Und schon in der vergangenen Wahlperiode hatte es die bis dahin höchste Zahl an Abgeordneten gegeben: 709. Seit 20 Jahren wächst der Bundestag.
Voraussichtlich am 26. Oktober tritt der neue Bundestag erstmals zusammen. Er wird so riesig und teuer sein wie kein anderes westliches Parlament. Manche spotten schon, dass nur der Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas gigantischer sei.
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Doch was lustig klingt, erntet scharfe Kritik. Per Gesetz darf der Bundestag nur 598 Mitglieder haben. Nun sollen es 735 werden – viele fragen sich, wie teuer das wird. Und wie arbeitsfähig dieses Riesen-Parlament nach der Bundestagswahl noch ist.
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Bundestag: Warum steigt die Zahl der Mandatsträger so stark an?
Das liegt am deutschen Wahlsystem: Die Zweitstimme auf dem Wahlzettel bestimmt den Anteil der Sitze im Parlament. Bekommt eine Partei 20 Prozent dieser Stimmen, soll sie auch 20 Prozent der Abgeordneten im Bundestag stellen. Doch gewinnt eine Politikerin mit der Erststimme ihren Wahlkreis, darf sie ebenfalls direkt einziehen.
Obwohl die großen Parteien insgesamt an Zustimmung verlieren, holen sie dennoch zahlreiche Direktmandate – mehr als ihnen per Zweitstimme an Sitzanteilen im Parlament zusteht. Es entstehen sogenannte Überhangmandate. Damit dadurch die von den Wählerinnen und Wählern per Zweitstimme beschlossenen Mehrheitsverhältnisse nicht durchbrochen werden, gibt es für die anderen Parteien sogenannte Ausgleichsmandate. Zu den einen Mandaten reihen sich die nächsten. Der Bundestag wächst.
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Noch etwas schlägt zu Buche: Die Linke schafft es nur auf 4,9 Prozent der Zweitstimmen, gewinnt aber drei Wahlkreise direkt. Daher greift die sogenannte „Grundmandatsklausel“ – wer drei Mandate in Wahlkreisen direkt holt, für den gilt die Fünf-Prozent-Hürde nicht. Die Linken ziehen mit 39 Abgeordneten in den Bundestag ein.
Mehr Politiker, mehr Gehälter – mehr Bürokratie?
Mehr Politikerinnen und Politiker, mehr Gehälter, mehr Dienstreisen, mehr Büroräume, mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – der neue Riesen-Bundestag kostet. Und auch die Bürokratie werde wachsen, befürchten Kritiker.
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Schon das vergangene Parlament mit gut 700 Mandatsträgern kostete den Steuerzahler laut Medienrecherchen knapp eine Milliarde Euro etwa im Jahr 2019. Rund die Hälfte dieser Kosten geht für die Diäten der Parlamentarierinnen und Parlamentarier drauf.
Bürokosten, Zuschüsse für Mieten, Dienstreisen, Zuschüsse für Versicherungen – diese „aktiven mandatsbezogenen“ Posten summieren sich auf zuletzt 533 Millionen Euro im Jahr, umgerechnet erzeugt jedes einzelne Mandat jährlich also mehr als 750.000 Euro an unmittelbaren Ausgaben.
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Nicht mehr als 500: Bund der Steuerzahler fordert Obergrenze im Bundestag
Mit einem noch größeren Bundestag in der neuen Wahlperiode dürfte dieser Betrag weiter ansteigen. Klar ist: Demokratie kostet – und daran sollte ein Staat nicht sparen. Auch das mit rund 10.000 Euro im Monat veranschlagte Gehalt eines Abgeordneten erscheint hoch. Jedoch ist der Job im Parlament hart, die Tage oft lang, der Druck hoch. Zudem soll die Diät nicht zu gering sein, damit kluge Köpfe nicht abziehen in die Wirtschaft. Oder das Parlament anfälliger wird für Korruption.
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Und dennoch regt sich Kritik an der wachsenden Größe des Parlaments. Der Bund der Steuerzahler fordert eine Obergrenze von 500 Abgeordneten. „Schluss mit dem XXL-Bundestag als Dauerzustand“, sagt Steuerzahler-Chef Reiner Holznagel. „Dazu braucht es eine umfassende Reform des Wahlrechts, das die Zahl der Abgeordneten deutlich verkleinert und schließlich deckelt.“ Doch genau diese Reform habe die Politik bisher ignoriert, kritisiert Holznagel.
Eine gute Nachricht gibt es am Tag nach der Bundestagswahl dennoch: 735 Politikerinnen und Politiker im neuen Parlament – das ist weniger, als manch einer befürchtet hatte. Horror-Szenarien gingen gar von bis zu 1000 Abgeordneten aus. (cu)