Viel spricht dafür, dass am Abend der Bundestagswahl im Fernsehen der Balken bei der SPD nach oben geht. Das heißt: Mehr als die 20,5 Prozent von 2017. Ein Stimmenplus.
Nach dem Verlauf der vergangenen Wochen wäre es schon ein Rückschlag, hinter der Union durch das Ziel zu laufen. Aber es wäre noch nicht eine Niederlage. Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat früh angekündigt, dass er sich selbst als Zweitplatzierter bemühen würde, eine Koalition zu schmieden. Es wäre nicht der erste Versuch dieser Art der SPD, schon Willy Brandt und Helmut Schmidt gingen ähnlich und mit Erfolg vor.
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Nach dem 26. September wird es wochenlang unklar sein, ob die Sozialdemokraten Bündnispartner finden und sich damit eine Machtperspektive eröffnet. Anders als Baerbock oder Laschet kann der SPD-Kandidat nicht gleich nach der Wahl in Bedrängnis geraten. Aber natürlich wäre es eine herbe Enttäuschung für ihn, wenn er sein Ziel – das Kanzleramt – verfehlen würde.
Die SPD war schon abgeschrieben - Was passiert mit der Partei nach der Wahl?
Die entscheidende Frage ist: Wo kommen die Sozialdemokraten her? Darauf gibt es zwei Antworten, eine gefühlte und eine nüchtern mathematische. Gefühlsmäßig kommen sie vom Leichenschauhaus. Die Konkurrenz und die Medien hatten sie schon als Volkspartei abgeschrieben – und mit Fug und Recht.
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Womit wir bei der mathematischen Antwort sind. Noch Ende Juni ermittelten die Forschungsgruppe Wahlen für die SPD 14 Prozent. Dass Scholz für den Satz „Ich will Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden“ nicht mehr belächelt wird, ist die Leistung, die ihm die Partei hoch anrechnet. Er hat die Würde der SPD bewahrt. Daraus erwächst Respekt.
Zwar werden auch Lorbeeren braun, aber wenn Scholz nach der fulminanten Aufholjagd der vergangenen Wochen eine Führungsposition anpeilt – in der Partei oder in der Fraktion -, wäre er nicht chancenlos. Es gibt, anders als bei Laschet, kein Szenario, bei dem Scholz wie ein Hund vom Hof gejagt wird.
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Die nächste Generation in der SPD drängt bereits
Die Frage ist nur, ob er das mit 63 Jahren denn will und ob er klug beraten wäre. Gut möglich, dass Scholz sich damit begnügt, den Königsmacher in der SPD zu spielen. Eine Wiederwahl von Saskia Esken als Parteichefin gilt als unwahrscheinlich; bei ihrem Co-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans überhaupt schon eine eine erneute Kandidatur.
Warum? Weil die nächste Generation drängt, anders gesagt: die Aufstellung für die Wahl 2025. Nach der Wahl ist vor der Wahl. In der Partei sind der junge Kevin Kühnert und die erfolgsverwöhnten Ministerpräsidenten Stephan Weil und Manuela Schwesig zwei Optionen, die beiden Länderchefs schon mit Blick auf die Kanzlerkandidatur 2025. Da sie am Sonntag selbst zur (Landtags)Wahl steht und die Umfragen positiv sind, gehört Schwesig das Momentum.
An der Spitze der Fraktion bieten sich der bisherige Arbeitsminister Hubertus Heil und Lars Klingbeil an, der erfolgreiche Generalsekretär. Beide kommen aus dem einflussreichen Landesverband Niedersachsen. Scholz dürfte für Klingbeil tendieren. Er selbst würde wohl einfacher Abgeordneter im Bundestag bleiben, im Abklingbecken nach einem Jahrzehnten der Politik.
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