Noch im Frühjahr schien es, als würde 2021 alles zusammenkommen für den perfekten Grünen-Wahlkampf: Diszipliniert, selbstbewusst und geeint stand die Partei einer ermatteten und zerstrittenen Union und einer scheinbar abgeschlagenen SPD gegenüber. Das grüne Herzensthema Klimaschutz hatte endlich breite Schichten der Bevölkerung erreicht, nach mehreren Jahren, in denen die Partei in Umfragen kontinuierlich zweitstärkste Kraft war, schien das Kanzleramt zum Greifen nah.
Was seitdem passiert ist, ist oft erzählt: Auf den Höhenflug folgte der Absturz, anstatt über ihre Vision eines Aufbruchs zu reden, sprachen die Grünen über das zusammenkopierte Buch ihrer Kandidatin, über zu spät gemeldete Nebeneinnahmen und einen aufgehübschten Lebenslauf.
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Im Ergebnis ist von den grünen Hoffnungen auf eine Kanzlerin Annalena Baerbock nicht viel übrig. Zuletzt war die Partei einem vierten Platz bei der Bundestagswahl – nicht nur hinter SPD und Union, sondern auch der FDP – näher gekommen, als ihr lieb sein kann. Und auch wenn die Grünen hoffen können, ihren Stimmenanteil im Vergleich zu 2017 zu verdoppeln, ist der Partei schmerzhaft klar, wie viel größer das Potenzial gewesen wäre.
Wie könnte sich Habecks Rolle bei den Grünen entwickeln?
Wie es für die Kandidatin und ihren Co-Parteichef Robert Habeck nach der Wahl weitergeht, hängt vor allem davon ab, ob und unter welchen Bedingungen die Partei Teil einer Regierung werden kann. Die Grünen meinen es ernst, wenn sie sagen, dass die nächste Regierung die letzte ist, die noch die Chance hat, das Land auf einen Weg zu bringen zu einer maximalen Erderwärmung von 1,5 Grad. Erfolg wird nicht nur an Prozentzahlen, sondern auch Umsetzung gemessen.
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Dass die Partei mögliche Sondierungsgespräche durch eine Abrechnung mit ihrer Kandidatin torpedieren wird, ist deshalb eher unwahrscheinlich. Trotzdem dürfte sich das innerparteiliche Machtgefüge mit jedem Prozent, das die Grünen verlieren, in Richtung Habeck verschieben – vielleicht sogar so weit, dass Habeck bei einer Regierungsbeteiligung der wäre, der als erster Grüner ein Ministeramt wählen kann.
Co-Parteichef Habeck will Finanzminister werden
Bekannt ist, dass der Parteichef gern Finanzminister würde. Sollte dieser Posten an einen anderen Koalitionspartner gehen – etwa an die FDP und Christian Lindner, der dieselbe Ambition hat, könnte aber auch ein neues, mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattetes Klimaministerium interessant sein.
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In jedem Fall kommt auf die Grünen eine Personaldiskussion zu, denn die Partei pflegt die Trennung von Amt und Mandat, wenn auch nicht mehr so streng wie früher. Maximal ein Drittel des Bundesvorstands darf aus Bundestagsabgeordneten bestehen. Von den sechs aktuellen Mitgliedern wollen fünf nach der Wahl (wieder) Abgeordnete sein.
Und auch ein Ministeramt ist laut Satzung höchstens für eine Übergangszeit von acht Monaten mit dem Parteivorsitz vereinbar. Wechseln Baerbock und Habeck ins Kabinett, müssten sie den Parteivorsitz wohl abgeben. Schaffen es die Grünen nicht in die Regierung, würden die Karten wohl ebenfalls neu gemischt.
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