Lübeck. Die Innenminister der Länder wollen den Abschiebestopp für das Bürgerkriegsland Syrien um zunächst weitere sechs Monate verlängern. Darauf hätten sich die Vertreter der SPD- und der Unionsminister verständigt, sagte Schleswig-Holsteins Ressortchef Hans-Joachim Grote (CDU) am Donnerstag in Lübeck bei der Innenministerkonferenz (IMK).
Wie in den Vorjahren dürfte der für Freitag erwartete Beschluss de facto für ein Jahr gelten – es sei denn, im Sommer ergibt sich eine neue Einschätzung der Lage in Syrien.
Grote hatte zunächst gesagt, der Stopp solle mit Ausnahmen gelten: „Es bleibt dabei: Es gibt einen Abschiebestopp nach Syrien, mit Ausnahme von schweren Straftaten. Ich glaube, anders wäre es auch den Menschen hier nicht zu vermitteln, dass jemand, der schwere Straftaten begeht, dennoch den Schutzstatus des Flüchtlings hat.“
Straftäter sollen nach Syrien abgeschoben werden
Irgendwann würden diese Rechte, die Deutschland gewähre, auch verwirkt. Ihm zufolge hatten sich die Minister von Union und SPD bereits darauf verständigt. „Wir wollen das morgen abschließend beschließen“, sagte er. Menschenrechtler reagierten empört.
Später relativierte Grote seine Aussagen. „Der Abschiebungsstopp soll bis zum 30.6.2020 ohne Einschränkungen verlängert werden“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Das bedeutet: die Innenminister der Länder werden frühestens Mitte des kommenden Jahres über Lockerungen etwa für Straftäter entscheiden.
Grote erklärte: „Die Innenminister sind sich einig: Die Bundesregierung soll gebeten werden, bis zur Frühjahrssitzung der IMK 2020 eine Fortschreibung der Lagebewertung in Syrien vorzunehmen. Die Bundesregierung soll zudem aufgefordert werden, die Voraussetzungen für die Rückführung von bestimmten Personengruppen – beispielsweise Gefährder und Straftäter – nach Syrien zu schaffen.“ Gefährder sind Menschen, denen die Sicherheitsbehörden politisch motivierte Straftaten bis hin zum Terroranschlag zutrauen.
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In einer Beschlussvorlage, über die am Freitag formell abgestimmt werden soll, heißt es nach dpa-Informationen, dass die Bundesregierung Voraussetzungen für die Rückführung von Gefährdern, schweren Straftätern und Menschen, die für Heimatbesuche nach Syrien zurückkehrten, schaffen solle.
Syrer sind die größte Gruppe unter den Flüchtlingen, die seit 2013 nach Deutschland gekommen sind. In dem Bürgerkriegsland gibt es nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes aktuell keine Region, in die Flüchtlinge ohne Risiko zurückkehren können.
„Immer wieder sind Rückkehrer, insbesondere - aber nicht nur - solche, die als oppositionell oder regimekritisch bekannt sind oder auch nur als solche erachtet werden, erneuter Vertreibung, Sanktionen beziehungsweise Repressionen, bis hin zu unmittelbarer Gefährdung für Leib und Leben ausgesetzt“, heißt es in einem internen Bericht des Auswärtigen Amtes, dessen Inhalt Anfang Dezember öffentlich wurde und der der dpa vorliegt. Die Bedrohung der Sicherheit sei nicht auf einzelne Landesteile beschränkt.
Boris Pistorius als Vertreter der SPD-Minister sagte mit Blick auf die nun zu prüfenden Lockerungen des Abschiebestopps: „Ich bin da sehr skeptisch. Ich hab’ dem auch nur schweren Herzens zugestimmt, um überhaupt einen Abschiebestopp hinzubekommen.“ Die Innenminister würden die Bundesregierung bitten, hierfür die Voraussetzungen zu prüfen. „Aber immer in der Einzelfallbetrachtung und vor allen Dingen nicht jetzt“, betonte Pistorius.
Ende 2018 lebten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 745 645 Syrer in Deutschland, darunter 551 830 Schutzsuchende, von denen rund 95 Prozent bereits anerkannt wurden. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres stellten 33 230 Menschen aus Syrien hierzulande erstmalig einen Asylantrag.
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Daneben müssten alle, die das Missfallen der Regierung erregt hätten, mit Repression rechnen. Das Auswärtige Amt hält in seinem Bericht fest: „Diese Bedrohung persönlicher Sicherheit ist somit nicht auf einzelne Landesteile beschränkt und besteht unabhängig von der Frage, in welchen Landesteilen noch Sicherheitsrisiken durch Kampfhandlungen und Terrorismus bestehen.“ Teilweise seien davon auch vormals regimenahe Syrer betroffen.
Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, hatte Anfang Dezember gefordert: „Angesichts dieser eindeutigen Lageeinschätzung sollte allen Syrern dauerhaft Schutz gewährt werden.“
Ende 2018 lebten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 745.645 Syrer in Deutschland, darunter 551 830 Schutzsuchende, von denen rund 95 Prozent bereits anerkannt wurden. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres stellten 33.230 Menschen aus Syrien hierzulande erstmalig einen Asylantrag. (dpa/les)
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