Berlin. Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit, fordert bessere Unterstützung von Kindern und Jugendlichen aus Hartz-IV-Familien.
Die Bundesagentur für Arbeit setzt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz-IV-Sanktionen auch bei unter 25-Jährigen um. „Wir verschicken zurzeit keine Sanktionsbescheide“, sagte Detlef Scheele, Chef der Arbeitsagentur dieser Redaktion.
Bei Arbeitslosen, die aktuell mit Abzügen von 60 oder 100 Prozent sanktioniert wären, würden die Sanktionen dem Karlsruher Urteil entsprechend auf 30 Prozent reduziert.
Hartz IV: Arbeitsagentur-Boss fordert Reformen – Das muss man wissen:
- Detlef Scheele will umfassende Verbesserungen für Hartz-IV-Empfänger erreichen
- Vor allem Kinder und Familien sollen besser gefördert werden
- Auch Sanktionen werden weiter entschärft
Hartz-IV-Urteil: Arbeitsagentur streicht harte Sanktionen auch für unter 25-Jährige
Die Entschärfung der Sanktionen gelte vorläufig auch für junge Arbeitslose: „Wir haben den Jobcentern mitgeteilt, dass diese Sanktionspraxis zunächst auch für unter 25-Jährige gilt“. Lesen Sie das ganze Interview mit dem Chef der Arbeitsagentur hier (Bezahlinhalt).

Scheele kündigte eine rechtlich verbindliche Übergangslösung bis Ende November an. Im nächsten Jahr werde eine gesetzliche Neuregelung der Sanktionspraxis folgen.
Übergang zu Arbeitslosengeld II soll abgemildert werden
Scheele sprach sich zudem für Korrekturen der aktuellen Hartz-IV-Regelungen aus: „Wir sollten den Übergang zwischen dem Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II abmildern.“ Es wäre sinnvoll, wenn ein Grundsicherungsempfänger in den ersten zwei Jahren noch nicht sein Vermögen antasten müsste und auch noch in seiner Wohnung bleiben könnte, so Scheele.
Deutschlands drängendste Probleme
„Eine solche Schonfrist würde für viele die Lage leichter machen.“ Gut wäre es nach Ansicht Scheeles auch, wenn die Jobcenter nicht mehr Kleinstbeträge von sieben Euro von den Leistungsempfängern zurückfordern müssten.
Scheele will Kinder aus Hartz-IV-Familien besser unterstützen
„Das kostet mehr Geld als wir einnehmen.“ Schließlich sollten die Jobcenter bei Menschen, die keine Berufsausbildung haben, eine dreijährige Ausbildung fördern können. Bislang gehe das nur bei zweijährigen Ausbildungen.
Um Kinder und Jugendliche aus Hartz-IV-Familien besser zu unterstützen, forderte Scheele, Angebote für Kinder deutschlandweit kostenlos zu machen: „Zum Beispiel Tickets für Bus und Bahn, Eintrittskarten für den Zoo und fürs Schwimmbad.“ Kindern aus SGB II-Haushalten stehe das Feld nicht so offen wie anderen Gleichaltrigen. Eine Erhöhung der Regelsätze für Kinder dagegen lehnte Scheele ab: „Ich bin nicht sicher, ob höhere Regelsätze immer eins zu eins bei den Kindern ankommen würden.“
„Kein Arbeitsloser muss auf Leistungen oder Bildungsangebot verzichten“
Detlef Scheele sieht einer möglichen weiteren Abschwächung der Konjunktur gelassen entgegen: „Wir haben eine Konjunkturdelle. Das verarbeitende Gewerbe, die Autoindustrie und ihre Zulieferer leiden unter den Handelskonflikten. Im nächsten Jahr wird die Arbeitslosigkeit nicht weiter sinken, sie bleibt aber immerhin konstant.“
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Die von der Großen Koalition geplante Absenkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung sei unproblematisch: „Wir verlieren durch die Beitragssenkung zwar 1,2 Milliarden Euro. Aber dadurch muss kein Arbeitsloser auf Leistungen oder ein Bildungsangebot verzichten“, so Scheele. Die Kasse sei gut gefüllt: Aktuell finanziere die Bundesarbeitsagentur 54.000 Arbeitnehmern das Kurzarbeitergeld.
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Das seien zwar in absoluten Zahlen deutlich mehr als 2018, aber insgesamt nur 0,2 Prozent der Beschäftigten. „Selbst wenn es zu mehr Kurzarbeit kommt, können wir das finanzieren. Wenn die Prognosen stimmen und sich die Konjunktur im dritten Quartal 2020 wieder erholt, dann kommen wir mit dem Geld gut aus.“
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