Berlin. China hat die Umerziehungslager für Muslime in Xinjiang erlaubt – dafür wurde das Gesetz des asiatischen Landes geändert. Gleichzeitig wird gegen „Halal“-Speisen vorgegangen. Menschenrechtsorganisationen und UN-Experten sind entsetzt.
Die Schritte sind Teil der verschärften Kampagne der chinesischen Behörden gegen das muslimische Turkvolk der Uiguren, die in dem ehemaligen Ostturkestan beheimatet sind.
Die Region gilt wegen der Spannungen zwischen den Uiguren und den Han-Chinesen als Konfliktherd. Nach blutigen Unruhen 2009 und einer Reihe von Terroranschlägen greifen die Sicherheitskräfte hart durch.
Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren möglich
Das neue Gesetz erlaubt die Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren. Psychologische Behandlung und Verhaltenskorrekturen kämen dann zum Einsatz. Es gehe um „ideologische Erziehung, um Extremismus zu beseitigen“. Neben berufsbildenden Maßnahmen sollen die Zentren, in denen meist muslimische Uiguren einsitzen, auch Chinesisch sowie Recht unterrichten.
Die Uiguren beklagen politische, wirtschaftliche und religiöse Unterdrückung, während ihnen die Chinesen Separatismus vorwerfen. Nach ihrer Machtübernahme 1949 in Peking hatten die Kommunisten die Region der Volksrepublik einverleibt, was auf Widerstand stieß.
Möglicherweise Hunderttausende in den Lagern
Den Insassen soll geholfen werden, ihre Gedanken zu verändern und zur Gesellschaft und ihren Familien zurückzukehren. Nach offiziell unbestätigten Berichten sollen Hunderttausende ohne Gerichtsverfahren in den Lagern einsitzen.
Nachdem die internationale Berichterstattung viel Kritik verursacht hatte, verteidigte die Regierung ihre Umerziehungslager. „Es hilft, die soziale Stabilität und das Wohlergehen aller ethnischen Gruppen in Xinjiang zu wahren, wenn Terrorismus bekämpft und verhindert wird sowie Maßnahmen gegen Extremismus ergriffen werden“, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Lu Kang, am Freitag vor der Presse in Peking.
Kampagne gegen Produkte, die „halal“ sind
Kommunistische Parteifunktionäre begannen in Ürümqi, der Hauptstadt des Uigurischen Autonomen Gebietes Xinjiang, auch eine Kampagne gegen Lebensmittel und Produkte, die von Muslimen als „halal“ und damit als „erlaubt“ eingestuft werden. Die Staatsanwaltschaft der Hauptstadt von Xinjiang rief „entschlossen zum Kampf gegen die „Pan-Halalisierung“ auf.
Als „halal“ bezeichnen Muslime alles, was ihnen der Koran erlaubt. Nicht zulässig sind zum Beispiel Schweinefleisch und Lebensmittel wie Gelatine, die aus Schweinefleisch hergestellt werden. Selbst Zahnpasta kann als „halal“ gelten. Auch müssen Tiere auf bestimmte Weise geschlachtet werden, um „erlaubt“ zu sein.
Mitarbeiter sollen sich online gegen „Pan-Halalisierung“ aussprechen
Da alle Parteimitglieder und Beamte ohnehin nicht religiös seien, sei die Ernährung unproblematisch, befand die Staatsanwaltschaft von Ürümqi. Die Kantinen sollen „reformiert“ werden, damit alle „die Küche der verschiedenen ethnischen Gruppen probieren können“.
In Chinas Staatsmedien stieß das Vorgehen auf Unterstützung. Indem vieles als „halal“ eingestuft werde, falle man leicht „in den Morast des religiösen Extremismus“, so die „Global Times“.
Die Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft von Ürümqi wurden auch aufgefordert, in sozialen Medien einen Schwur zu verbreiten: „Ich bin ein treues Mitglied der Kommunistischen Partei. (...) Ich glaube an den Marxismus-Leninismus, nicht an eine Religion. Ich muss fest und entschlossen bis zum Tode gegen die „Pan-Halalisierung“ kämpfen.“
Was ist Marxismus-Leninismus?
Mit Marxismus-Leninismus wurde früher auch die Ideologie der ehemaligen Sowjetunion bezeichnet. Neben China beruft sich heute auch noch Kuba, Vietnam und Laos auf diese Staatsdoktrin. Mit der marxistischen Lehre an sich hat das aber wenig etwas zu tun. Viel mehr kann der Marxismus-Leninismus als eine Art Ideologie betrachtet werden. (dpa/ses/bekö)