Umfrage

Wachsende Zahl der Deutschen unzufrieden mit der Demokratie

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Julia Emmrich
Eine Kunstinstallation nach den rechten Ausschreitungen in Chemnitz. Was für Wölfe gilt, gilt auch für den Populismus in Deutschland. „Bitte nicht füttern.“

Eine Kunstinstallation nach den rechten Ausschreitungen in Chemnitz. Was für Wölfe gilt, gilt auch für den Populismus in Deutschland. „Bitte nicht füttern.“

Foto: Jens Schlueter / Getty Images

Nur 59 Prozent der Deutschen findet, dass das politische System gut funktioniert. Vor einem Jahr waren es noch knapp zehn Prozent mehr.

Berlin.  Das vergangene Jahr hat Spuren hinterlassen. Die lange Regierungsbildung nach der Bundestagswahl, der Dauerstreit um die Asylpolitik und die Dauerklage über den Stillstand bei vielen sozialen Problemen – alles das hat das Vertrauen der Bundesbürger in die Demokratie nicht gerade gestärkt. Im Gegenteil: Nur noch 59 Prozent der Deutschen sind einer Umfrage zufolge mit dem Funktionieren der Demokratie zufrieden. Ein Jahr zuvor waren es noch knapp zehn Prozent mehr.

Der Vertrauensverlust ist besonders groß bei denjenigen, die sowieso Zweifel an demokratischen Prozessen hegen: „Je populistischer die Menschen eingestellt sind, desto unzufriedener sind sie mit dem Zustand der Demokratie“, sagt Robert Vehrkamp, Politikexperte der Bertelsmann Stiftung und Mitautor des aktuellen „Populismusbarometers“. Bemerkenswert für den Forscher: Statt den Einzug der AfD in den Bundestag als Beweis für das Funktionieren der Demokratie zu sehen, schüre ausgerechnet die AfD die Demokratieskepsis besonders erfolgreich.

Noch gibt es nur sehr wenige Feinde der Demokratie

Der Ärger über das aktuelle Erscheinungsbild der Demokratie hat bislang jedoch noch nicht zu einer grundsätzlichen Ablehnung dieser Staatsform geführt. Das heißt: Unter den Bundesbürgern gibt es viele enttäuschte Demokraten – aber nur sehr wenige Feinde der Demokratie. Immerhin neun von zehn Deutschen halten die Demokratie nach wie vor für das beste politische System.

Was allerdings nicht heißt, dass sie immun sind gegen populistische Politik: Die repräsentative Umfrage für das „Populismusbarometer“ zeigt, dass die Neigung zu populistischen Einstellungen innerhalb des letzten Jahres vor allem in der politischen Mitte zugenommen hat. Insgesamt bescheinigen die Studienautoren jedem dritten Wahlberechtigten populistische Einstellungen.

„Populismus ist das trojanische Pferd der AfD“

Doch woran erkennen die Forscher eine solche Haltung? Sie messen die Zustimmung zu Sätzen wie diesen: „Mir wäre es lieber, von einem einfachen Bürger politisch vertreten zu werden als von einem Politiker.“ Oder: „Die Parteien wollen nur die Stimmen der Wähler, ihre Ansichten interessieren sie nicht.“ Oder: „Was man in der Politik ‚Kompromiss‘ nennt, ist in Wirklichkeit nichts anderes als ein Verrat an den eigenen Ideen.“ Je deutlicher die Zustimmung, desto stärker die populistische Neigung.

Vor allem die AfD profitiert von dieser Tendenz: „Rechte wählen AfD, weil sie rechts ist. Wähler der Mitte wählen AfD, weil sie populistisch ist. Populismus ist damit das trojanische Pferd der AfD in der politischen Mitte“, sagt Wolfgang Merkel, Demokratieforscher am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). Wollten die anderen Parteien diese Wähler zurückgewinnen, müssten sie noch stärker als bisher auf soziale Themen setzen – sonst „werden das die Populisten übernehmen“, warnt Merkel.