Anschläge

Ein Jahr nach dem Terror in Spanien ist das Gedenken gestört

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Ralph Schulze
Am Tag nach den Anschlägen im August 2017 gedachten Trauernde in Barcelona der Opfer.

Am Tag nach den Anschlägen im August 2017 gedachten Trauernde in Barcelona der Opfer.

Foto: imago stock / imago/ZUMA Press

Ein Jahr nach dem Terror in Barcelona und Cambrils überschattet der Streit um Kataloniens Unabhängigkeit die Erinnerung an die Opfer.

Barcelona.  Es ist heiß in Barcelona, typisch August. Einheimische und Touristen flanieren auf dem Boulevard La Rambla, sitzen in Cafés, plaudern bei Wermut und Cava, bummeln an Schaufenstern vorbei. So wie vor einem Jahr, als sich von einer Sekunde auf die andere alles änderte.

Am 17. August 2017 um 17 Uhr rast ein weißer Lieferwagen von der Plaza Catalunya aus in den Fußgängerbereich, reißt über eine Strecke von rund 600 Metern Menschen mit sich und hinterlässt eine Spur des Todes. Leblose Körper bedecken den Asphalt, einige der Opfer sind sofort tot, Dutzende liegen verletzt am Boden.

Der Terror hat Katalonien erreicht. Beim Anschlag des „Islamischen Staates“ (IS) und einer wenige Stunden später vereitelten Attacke im Küstenort Cambrils kamen insgesamt 16 Menschen ums Leben. Auch eine Deutsche war unter den Opfern.

Kurz nach Barcelona der Anschlag in Cambrils

Die Polizeipräsenz in Barcelona ist heute größer denn je. Polizisten mit Langwaffen patrouillieren. Stahl-Poller, Blumenkübel und Betonklötze versperren die Zufahrt in die breite Fußgängerzone, die in der Mitte der Rambla-Allee verläuft, wo 14 Menschen überrollt wurden und starben. Der Terrorist, der 22-jährige Marokkaner Younes Abouyaaqoub, erstach auf seiner Flucht einen weiteren Mann und entkam zunächst, wurde später gestellt und von einem Polizisten getötet.

Nur wenige Stunden nach dem Attentat in Barcelona folgte der zweite Schlag – Ferienort Cambrils. Fünf Terroristen überrollten mit ihrem Pkw mehrere Passanten. Eines der Opfer starb. Kurze Zeit später konnte die Polizei das Terrorkommando stoppen. Alle fünf Terroristen wurden erschossen.

Attentäter wollten wohl Eiffelturm und Sagrada Familia angreifen

Die Attentäter, durchweg marok­kanischer Abstammung, hatten eigentlich noch größere Terrorpläne, wie die Ermittlungen ergaben: Sie wollten mit rollenden Bomben gleichzeitig in Paris und in Barcelona zuschlagen. Ziel waren offenbar die berühmtesten Wahrzeichen dieser Städte: der Eiffelturm in Paris und die Gaudí-Basilika Sagrada Família in Barcelona. Beide Monumente sollten mit Autobomben angegriffen werden.

Nur die Explosion der Bombenwerkstatt, die sich am Tag vor der mörderischen Fahrt durch Barcelona ereignete, verhinderte die Ausführung dieser Attentate. Mehr als 100 Gasflaschen, die mit Sprengstoff gefüllt werden sollten, wurden in den Trümmern gefunden. Bei der Explosion im Ort Alcanar, 200 Kilometer von Barcelona entfernt, starben zwei weitere Terroristen.

Anführer der Terroristen war der Polizei bekannt

Einer dieser beiden Toten war der Anführer der Terrorgruppe: Der 44 Jahre alte Imam Abdelbaki Es Satty amtierte jahrelang als Prediger der Moschee im katalanischen Bergdorf Ripoll, das im Hinterland Barcelonas liegt. Dort hatte er zwölf junge Männer, die meisten um die 20, mit Hassreden zum Terror aufgehetzt. Acht von ihnen sind tot, vier weitere warten im Gefängnis auf ihren Prozess.

Es Satty war ein alter Bekannter der Polizei. Er saß wegen Drogengeschäften im Gefängnis, galt auch als Polizeispitzel. Warum er trotzdem seine Terrorpläne vorantreiben konnte, ist bis heute unklar. Genauso, warum ein Hinweis des US-Geheimdienstes, der drei Monate vor dem Terror vor Anschlägen in Barcelona warnte, folgenlos blieb.

Hakte die Zusammenarbeit zwischen Madrid und Katalonien?

Manches spricht dafür, dass es bei der Zusammenarbeit zwischen staatlichen Sicherheitsbehörden und Kataloniens autonomer Regionalpolizei hakte. In Katalonien regierte damals Separatistenchef Carles Puigdemont. Dieser befand sich mit seinen Unabhängigkeitsplänen auf Konfrontationskurs zum spanischen Staat. Die Spannungen trübten möglicherweise auch die Anti-Terror-Kooperation.

Und nicht nur das: Auch das Ge­denken an die Opfer der Terrorserie in Barcelona und Cambrils wird von Ka­taloniens Unabhängigkeitskrise überschattet. Mehrere Organisationen der katalanischen Separatistenbewegung haben angekündigt, dass sie nicht am ­offiziellen Gedenkakt an diesem Frei­tagvormittag in Barcelona teilnehmen werden. Stattdessen wollen sie am Nachmittag vor jenem Gefängnis vor den Toren der Stadt demonstrieren, in dem einige Separatistenpolitiker in U-Haft sitzen.

König Felipes Besuch in Barcelona stört Separatisten

Vor allem die Anwesenheit von König Felipe, der als Spaniens Staatschef an der Feierstunde teilnimmt, ist vielen Separatisten ein Dorn im Auge. Der katalanische Regionalpräsident Quim Torra, ein Vertrauter des ins Ausland geflüchteten Puigdemont, ließ wenig Zweifel daran, dass er auf Felipes Kommen keinen Wert legt. „Felipe ist nicht der König der Katalanen“, sagt Torra, der weiterhin an einer „unabhängigen katalanischen Republik“ arbeitet. So wie Torra denkt aber nur etwa die Hälfte der Katalanen, die in ein prospanisches und ein separatistisches Lager gespalten sind.

Für König Felipe könnte der Besuch in Barcelona schwierig werden. Bürgermeisterin Ada Colau bat zwar darum, den Terror-Gedenkakt nicht zu politisieren. „Es gibt viele andere Tage, um über die Monarchie und die Republik zu reden“, meint sie. Ob ihr Appell hilft, ist nicht ausgemacht. Denn auch Spaniens neuer, sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez kommt. Und Torra rang sich ebenfalls zur Teilnahme durch.

Ab Herbst Prozess gegen katalanische Separatisten

Dabei hatte sich nach dem Amtsantritt des neuen spanischen Ministerpräsidenten im Juni die Lage zwischen den katalanischen Separatisten und der Zentralregierung in Madrid zunächst entspannt. Sanchez hatte sich mit Torra in Madrid getroffen. Beide Seiten vereinbarten weitere Gespräche.

Doch im Herbst beginnt in Madrid der Prozess gegen führende katalanische Separatisten. Sie sind wegen Rebellion angeklagt, und ihnen drohen Haftstrafen von bis zu 30 Jahren. Es droht ein heißer Herbst. Torra und sein politischer Mentor Puigdemont haben angekündigt, dass sie ihren Kampf um die Unabhängigkeit nicht aufgeben werden. Schon am 11. September, wenn die Katalanen mit der „Diada“ ihren Nationalfeiertag feiern, werden viele Tausend Separatisten in Barcelona demonstrieren, dass weiter mit ihnen zu rechnen ist. (mit dpa)