Berlin. Ein interner Test des Bundesamtes zeigt: Flüchtlinge werden mangelhaft im Asylverfahren betreut. Die Behörde will nun Geld für Helfer ausgeben – doch das Projekt stockt

    60 Seiten geben Hoffnung. Zwei Forscherinnen haben darin ihr Asylexperiment dokumentiert. Die beiden Frauen haben „Berater“ eingesetzt, in drei Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, dem Bamf, dessen Name derzeit in den Schlagzeilen wieder mit den Zusätzen „Skandal“, „Affäre“ oder „Chaos“ versehen wird. Das Projekt: In Bonn, Gießen und dem saarländischen Lebach saßen im Frühjahr 2017 je ein oder zwei Fachkundige in den Ankunftszentren und halfen den Flüchtlingen aus Syrien, Nigeria oder Afghanistan.

    Das Projekt ist ein Baustein, mit dem die Qualität der Asylverfahren im Bundesamt verbessert werden soll. Fehlt ein Attest vom Arzt? Sind Pässe vorhanden? Worauf wird es in dem Interview mit dem Asylentscheider des Bamf ankommen? Und hat ein junger Albaner überhaupt eine Chance, in Deutschland zu bleiben? Wie hilft das Bamf bei seiner freiwilligen Ausreise? Die Asylberater gaben in drei Monaten fast 500 Menschen Antworten. Eine junge Frau dachte, für die Asylanhörung komme sie vor ein Gericht, mit Staatsanwalt und Richter. Ein junger Mann wollte den Beamten des Bamf sehr viel über den Krieg und die Bomben in seiner Heimat erzählen, aber nichts über seine eigene Geschichte und die ganz persönlichen Gründe seiner Flucht. Doch genau darauf kommt es beim Asylentscheid an. Einer jungen, alleinstehenden Mutter mussten die Berater helfen, weil ihre beiden Kinder beim Asylinterview in der Beamtenstube herumtollten. Szenen im deutschen Asylalltag. Flüchtlingsorganisationen beklagen: Das Bamf kläre die Menschen zu wenig über ihre Rechte und Pflichten auf.

    Der interne Abschlussbericht des Bamf über das Pilotprojekt mit den Beratern liegt dieser Redaktion vor. Auch die Bamf-Expertinnen bemängeln: Hilfe bei der Registrierung, der Vorbereitung von relevanten Dokumenten und den Asylanhörungen sei nicht Teil des deutschen Asylsystems. In Zeiten, in denen jedes Jahr nur ein paar Zehntausend Geflüchtete in Deutschland Schutz suchen, fielen solche Defizite im Bamf nicht auf. Doch in den vergangenen Jahren kamen Hunderttausende. Mittlerweile sinkt die Zahl der Asylbewerber, bleibt jedoch hoch – weltweit sind mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Das Bamf, so kritisierte Ex-Behördenchef Frank-Jürgen Weise auf Nachfrage dieser Redaktion, habe zur Hochphase der Krise weder „tragfähige Strukturen und eine funktionsfähige IT“ noch „definierte Prozesse und eine Qualitätssicherung“ gehabt. An diesem Freitag sagt Weise im Sonderausschuss des Bundestages zur Bremer Bamf-Affäre aus. Auch Weise steht unter Druck. In der Außenstelle sollen mindestens 1200 Asylentscheidungen ohne rechtliche Grundlage ergangen sein.

    14 Millionen Euro plant das Bamf in seinem Haushalt für 2018 ein, um Asylberater in den Außenstellen einzusetzen. Die Forscherinnen kommen in ihrem Projektbericht insgesamt zu einem positiven Ergebnis: Durch die Berater würden Schutzsuchende ihre Rechte in den Asylverfahren besser verstehen – aber auch ihre Pflichten. Das schaffe zum einen mehr Offenheit der Flüchtlinge gegenüber den Asylentscheidern des Bamf. Zum anderen erleichtere dies die Arbeit des Amtes. Auch wenn genaue Daten zu „Effizienzgewinnen“ im Asylverfahren nicht erfasst wurden, heißt es positiv in dem Bericht: Durch die Beratungen „können die Anhörungsteile zur Identitätsklärung und zum Reiseweg schneller bearbeitet werden. Der wesentliche Aspekt der Anhörung – die individuelle Fluchtgeschichte – kann so umfassender erfragt werden“. In einigen Fällen stellten Menschen nach der ersten Beratung gar keinen Antrag auf Asyl mehr, da sie aus Herkunftsländern kamen, die das Bamf als „sicher“ einstuft.

    Schon im vergangenen Spätsommer stellten die beiden Forscherinnen des Bamf ihre Ergebnisse vor. Der Bericht ging an die Leiterin des Amts, Jutta Cordt. Und an das Bundesinnenministerium. Im Einsatz sind die Asylberater bis heute nicht. Auf Nachfrage dieser Redaktion heißt es: Das Ministerium prüfe noch. Wann dieser „Meinungsbildungsprozess abgeschlossen“ sein werde, sei derzeit „noch nicht absehbar“.