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Daniel Günther: „Die Islam-Debatte ist für die Katz“

| Lesedauer: 7 Minuten
Jochen Gaugele
Daniel Günther ist seit 2017 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.

Daniel Günther ist seit 2017 Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.

Foto: Roland Magunia

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) spricht über das Verhältnis zur CSU. Und über den Zustand der Bundeswehr.

Kiel.  Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hat in Kiel zustande gebracht, woran Angela Merkel in Berlin gescheitert ist: ein Jamaika-Bündnis mit FDP und Grünen. Ein Jahr nach der Regierungsbildung schaut der schleswig-holsteinische CDU-Ministerpräsident gerne auf die Umfragen.

Mehr als zwei Drittel der Bürger äußern sich sehr zufrieden oder zufrieden mit der Arbeit der Bündnispartner – im Bundesvergleich ein Spitzenwert. Im Interview spricht Günther Klartext.

Sie führen eine Jamaika-Koalition und haben exzellente Umfragewerte. Widerlegen Sie damit all jene, die der Union einen konservativeren Kurs verordnen wollen?

Daniel Günther : Auf jeden Fall! Wir verfolgen mit FDP und Grünen einen durchaus liberalen Kurs – selbst in Fragen der Flüchtlingspolitik. Damit binden wir viele Wähler und halten auch die politische Rechte im Zaum. Die AfD ist in Schleswig-Holstein nur halb so stark wie auf Bundesebene.

Sie glauben, das liegt an Ihrer liberalen Flüchtlingspolitik?

Günther : Wir stellen Themen, die ausschließlich bei der AfD einzahlen, nicht so in den Mittelpunkt. Das Thema Flüchtlinge spielt in Schleswig-Holstein eine untergeordnete Rolle. Wir schwenken nicht auf den Kurs populistischer Parteien ein. Wir verzichten auf markante Forderungen, die sich nicht erfüllen lassen.

Seriöse Parteien profitieren nicht von einer Haudrauf-Rhetorik. Wer behauptet, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, findet sicherlich Widerhall in bestimmten Kreisen. Aber die Realität lehrt etwas anderes, und die Leute stellen die Gegenfrage: Warum leben dann so viele Muslime bei uns? Die Islam-Debatte ist für die Katz.

Die Bayern sind anders als die Menschen im hohen Norden. Vielleicht hat die CSU genau damit Erfolg bei der Landtagswahl im Herbst ...

Günther : Die CSU und einige in der CDU unterliegen einer Fehleinschätzung, wenn sie lautstark über den Islam debattieren. Würde die CSU ihre landespolitischen Erfolge in den Vordergrund stellen, müsste sie nicht um die absolute Mehrheit zittern.

Die CSU regiert in Bayern viel moderner, als sie auf Bundesebene den Eindruck erweckt. Bayern investiert viel in die Integration von Zuwanderern. Andere Bundesländer, die immer so großherzig tun, können sich davon eine Scheibe abschneiden.

Bayerns neuer Ministerpräsident Markus Söder will alle Landesbehörden verpflichten, christliche Kreuze aufzuhängen. Wie kommt das bei Ihnen an?

Günther : Nicht gut. Als Katholik habe ich große Sympathie dafür, dass wir das Kreuz im öffentlichen Raum zeigen. Wer daraus eine Pflicht machen will, vereinnahmt die Religion für den Staat und für die eigene Partei. Das halte ich für nicht akzeptabel.

Muss die große Koalition im Bund die Bayern-Wahl abwarten, bevor sie anfangen kann, richtig zu regieren?

Günther : Die CDU muss sich davon freimachen, ständig nach Bayern zu schielen. Die Zusammenarbeit zwischen CDU und CSU wird erst dann wieder besser, wenn sich die CDU ihrer eigenen Bedeutung bewusst wird. Die CDU muss deutlich machen, dass sie – gemessen an Wählerstimmen – fünfmal so groß ist wie die CSU.

Und die CSU respektiert, wenn andere mit Stärke auftreten. Sicher, die CSU steht vor einer wichtigen Landtagswahl. Aber das gilt auch für die CDU. Die Landtagswahl in Hessen ist genauso bedeutend wie die Bayern-Wahl.

In der Bundesregierung gibt es Streit über den Haushaltsentwurf des Finanzministers – vor allem wegen der Verteidigungsausgaben. Hat Olaf Scholz gute Arbeit gemacht?

Günther : Im Grundsatz ist das alles in Ordnung. Olaf Scholz setzt den Kurs der Sparsamkeit von Wolfgang Schäuble fort. Eines ist allerdings zu kritisieren: Wir müssen mehr bei den Verteidigungsausgaben machen. Die Menschen, die für unsere Sicherheit sorgen, müssen so ausgestattet werden, dass wir sie guten Gewissens in den Einsatz schicken können.

Die Bundeswehr ist in einem beklagenswerten Zustand. Meine Heimatstadt Eckernförde beherbergt die U-Boote der Bundeswehr, die alle nicht einsatzfähig sind. Wir investieren seit Jahrzehnten zu wenig in die Ausrüstung der Bundeswehr. Da muss die neue Bundesregierung nachlegen. Bei der Verteidigung muss der Haushaltsentwurf korrigiert werden.

SPD-Chefin Andrea Nahles warnt vor Aufrüstung ...

Günther : Die Zustände in der Bundeswehr spotten jeder Beschreibung. Wer jetzt von Aufrüstung spricht, hat null Ahnung. Es geht darum, das Allernotwendigste zu tun und den Investitionsstau zu beseitigen. Ich empfehle Frau Nahles, mal eine Bundeswehreinheit zu besuchen. Vielleicht lernt sie ja dazu.

US-Präsident Donald Trump pocht darauf, dass Deutschland seine Verteidigungsausgaben auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Wie realistisch ist das?

Günther : Das Zwei-Prozent-Ziel, auf das sich die Nato-Staaten verständigt haben, ist nicht mit einer Jahreszahl verbunden. Es ist auch nicht realistisch, eine solche Aufstockung der Verteidigungsausgaben in einem kurzen Zeitraum hinzubekommen.

Was ist dann realistisch?

Günther : Das Minimum ist, was Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen einfordert: zwölf Milliarden Euro zusätzlich für die gesamte Wahlperiode.

War es unvorsichtig, die Wehrpflicht auszusetzen?

Günther : Die Entscheidung war damals nachvollziehbar. Aber wir haben es der Bundeswehr deutlich schwerer gemacht, Personal zu rekrutieren. Intelligenterweise ist die Wehrpflicht nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt worden.

Wann soll die Wehrpflicht wieder in Kraft treten?

Günther : Wir sind heute noch nicht in der Situation, dass wir die Entscheidung anders treffen müssten.

Kanzlerin Merkel regiert Deutschland seit zwölfeinhalb Jahren – trauen Sie ihr auch eine fünfte Amtszeit zu?

Günther : Angela Merkel ist jetzt für vier Jahre angetreten. Die Entscheidung hat sie sich nicht einfach gemacht. Mein Eindruck ist: Die Kanzlerin ist so etwas von vital und hat eine Power, die mich wirklich beeindruckt. Amtsmündigkeit ist bei ihr null festzustellen.

Wann wird es Zeit, über die Nachfolge zu entscheiden?

Günther : Der Umbruch in der CDU ist in vollem Gange. Es ist nicht mein Ziel, irgendwelche zeitlichen Begrenzungen zu setzen.

Wie groß ist der Kreis der Kronprinzen?

Günther : Unermesslich groß. Wir haben so viele Talente in der CDU, dass sich niemand Sorgen machen muss.

Widersprechen Sie, wenn Sie dazugezählt werden?

Günther : Ich bin seit einem Jahr Ministerpräsident in Schleswig-Holstein. Das fühlt sich gut an, und wenn meine Partei es will, trete ich in vier Jahren wieder an. Weiter denke ich im Moment auch nicht in die Zukunft.