Bangkok/Manila

Duterte schließt Urlaubsinsel Boracay

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Willi Germund

Bangkok/Manila. Ein paar unentwegte Touristen machten das Beste aus dem Abschied, der sechs Monate dauern soll. Sie ballerten Feuerwerkskörper in den Himmel über der philippinischen Urlaubsinsel Boracay. Andere Besucher, die Behörden nicht geglaubt hatten, mussten am Donnerstag nach Mitternacht an der Anlegestelle der Nachbarinsel Panay feststellen, dass auch für sie galt: „Einreise bis auf Weiteres verboten.“ Präsident Rodrigo Duterte hatte die Schließung von Boracay für den Fremdenverkehr angeordnet, nachdem er einen Film gesehen hatte, der sprudelndes, ungeklärtes Abwasser an einem Strand von Boracay zeigte.

Doch auf den Philippinen stellen sich die Dinge selten so dar, wie sie tatsächlich zusammenhängen. Die Regierung in Manila begnügte sich nicht mit der Schließung der Insel. Sie entsandte gleich eine 630-köpfige Taskforce aus Polizei, Militär und Küstenwache auf die Insel, die in Tarnuniform und mit Schnellfeuergewehren durch die sanfte Dünung watete.

Rund 40.000 Beschäftigte in der Tourismusindustrie der Insel, die 2017 rund zwei Millionen Touristen bewirteten, nahmen angesichts des martialischen Auftritts der Ordnungskräfte Reißaus und suchen nun woanders Arbeit. Nur Boracays „Castle Boys“ vertrauen auf die Zukunft. Bislang verdienten sie sich mit komplizierten Sandburgen am Strand ordentliche Trinkgelder von Touristen, die sich während ihres Urlaubs gern mit Schlössern ablichten ließen, welche auf und aus Sand gebaut waren. „In der Zukunft mischen wir halt Zement“, sagte einer von ihnen.

Denn während Dutertes Soldaten und Polizisten schon am ersten Tag der Schließung mit roten Linien neue Straßenführungen markierten, Imbissbuden am Strand zum Abriss freigaben und Elendsviertel in Sumpfgebieten niederwalzten, kritisierten Vertreter von „Kalikasan Peoples Network for the Environment“ und die Gruppe „Pamalakaya“, die für Rechte von Fischern eintreten, das Vorgehen der Regierung in Manila. „Sie reden davon, die Schönheit von Boracay wiederherzustellen“, sagte ihr Vertreter Fernando Hicap, „aber was hat das mit dieser Militarisierung der Insel zu tun? Und wie wollen sie Boracays Schönheit wiederherstellen, wenn sie während der Schließung der Insel ein Casino und andere große Geschäfte am Strand bauen lassen?“

Tatsächlich plant die Galaxy Entertainment Group aus dem chinesischen Macau ein gigantisches Spielcasino in Boracay. Leisure & Resorts World Corp, der philippinische Partner des Konzerns, teilte auf Anfrage mit, dass Pläne zum Bau trotz der Schließung in die Praxis umgesetzt würden. Präsident Duterte freilich gibt den Ahnungslosen: „Ich habe keine Pläne für ein Casino dort. Ich habe befohlen, Boracay zu säubern.“

Tatsächlich braucht Boracay dringend eine Erholungspause vom Massentourismus. Dank vieler Gäste aus China und Südkorea explodierte der Tourismus auf der Insel mit einst 250.000 Besuchern pro Jahr. 2017 Jahr kamen zwei Millionen Gäste – und brachten 1,42 Milliarden Dollar an Einnahmen. Die Infrastruktur war schon lange nicht mehr in der Lage, die Folgen zu bewältigen. Nur rund die Hälfte der Geschäfte ist ans Abwassersystem angeschlossen. Von rund 100 Tonnen Abfall, die pro Tag fällig werden, landen nur 30 Tonnen auf einer Müllhalde auf einer Nachbarinsel. Statt schöner Strände ist der berühmte weiße Sand nun mit madenbedeckten Essensresten aus den Imbissbuden sowie streunenden Hunden übersät. Die Korallen sind nachhaltig beschädigt, und eine Studie der japanischen Entwicklungshilfeorganisation JICA kam zu dem Schluss: Dank Abfall und Abwasser setzt sich überall im Meer ein übler grüner Schleim ab, der schwere Durchfallerkrankungen verursachen kann – keine gute Voraussetzung für Urlaub und ein Spielcasino, in dem Milliarden umgesetzt werden sollen.